Mit einem Kuhlift kam der Durchbruch

Auf dem Bergbauernhof der Familie Studer hat das «über den Tellerrand Hinausschauen» Tradition. Es hat schon zu so manch hilfreicher Erfindung geführt. Dafür wurde Peter Studer mehrfach ausgezeichnet. Jetzt tüftelt Sohn Ruedi an der nächsten Idee.

Erfinden, tüfteln und schweissen bis es passt: Vater Peter und Sohn Ruedi Studer entwickeln zuhinterst im Entlebuch. auf ihrem Bauernhof nahe beim Brienzer Rothorn, hilfreiche Geräte für Bauern. Angefangen hatte es, als Peter Studer vor fast 25 Jahren seinem Stier die Klauen schneiden musste und der ausgeliehene Klauenstand dem Gewicht des Tiers nicht standhielt. Da beschloss er, selbst einen zu bauen.» Und schon hatte er seine erste Erfindung gemacht. Dazu muss man wissen: Viele Kühe können nicht lange auf drei Beinen stehen. Darum schiebt man die Kuh normalerweise in eine spezielle Metallbox, fädelt Bauchgurte unter ihr durch, auf denen sie sich abstützen kann und hebt die zu behandelnde Fessel mit einem weiteren Gurt an. Die Box steht dann dort, wo es für den Bauern praktisch ist. Also meist weg von der Herde, an einem Ort, an dem die Kuh selten ist. Für das Tier ist das Stress pur. Das alles bezog Peter mit ein in seine Überlegungen für den eigenen Klauenstand. Heraus kam dabei etwas völlig Neues: eine Rohrkonstruktion an einem hohen Gestell, die er fix über einem der normalen Fressplätze im Stall montierte. Statt dass die Kuh in eine ihr fremde Box hineinmuss, kann die im gewohnten Fressgitter bei den anderen Kühen bleiben. Während sie frisst, senkt der Bauer die Rohrkonstruktion über das Tier, fädelt die Bauchgurte ein und beginnt mit der Arbeit. Weil links und rechts die Gspänli der Kuh auch da sind, und alle fressen, ist der Stress für das Tier minimal. Das damals war so fortschrittlich, dass Peter 2003 einen Innovationspreis gewann.

Auszeichnung für mobilen Kuhlift

Es sprach sich herum, dass die Erfindungen von Peter etwas taugen. Und dann kam derjenige Auftrag, der ihn weitherum bekannt machte. Ein Tierarzt wünschte sich einen mobilen Kuhlift. So einen braucht es ab und zu, wenn eine Kuh nach der Geburt nicht die Kraft hat, wieder aufzustehen. Die gängie Version besteht aus einer starren Rahmenkonstruktion auf vier Beinen mit drei Gurten. Deren Enden werden unter die Kuh geschoben, und auf beiden Seiten am Rahmen oben befestigt. Mit einer Kurbel rollt man die Gurte auf und hebt so die Kuh langsam an. Doch dieser Lift hat zwei Nachteile: Er lässt sich nur mühsam transportieren und das Kurbeln von Hand ist sehr anstrengend. Der Tierarzt wünschte sich ein zerlegbares Modell, das er auf dem Vordersitz seines Autos transportieren konnte. Peter und sein Sohn Ruedi, der bereits in der Lehre zum Landmaschinenmechaniker war, gingen gemeinsam ans Werk. Sie schweissten ein neuartiges Modell zusammen. Mit einem Clou dazu: Statt mit einer Kurbel lassen sich die Gurten mithilfe eines Akkubohrers hochziehen. Ein halbes Jahr testete der Tierarzt das zerlegbare Modell. Der Kuhlift bewährte sich in der Praxis und erhielt 2013 einen Innovationspreis des Bergbauernverbandes. Seitdem ist dieses Produkt landesweit bei Landwirten und Tierärzten gefragt. Eine Sonderanfertigung mit Rädern ging sogar nach Indien.

Andere Sichtweisen einholen

Vor zwei Jahren übernahm Ruedi, das jüngste der fünf Studer-Kinder, den Bio-Hof auf 1000 Metern über Meer. 50 Tiere hält er in einer Mutterkuhherde, daneben baut er mit seiner Partnerin vermehrt Gemüse in Permakultur an. Das Erfinderfieber hat ihn genauso wie den Vater gepackt. Doch kann er sich nicht vorstellen, nur davon zu leben. «Die Kombination von Landwirtschaft und Maschinenentwicklung ist für mich perfekt», sagt er. «Es braucht auch beides für die Ideenfindung», sagt der 29-Jährige. «Oft liegt die Schwierigkeit im Detail. Dann komme ich nicht weiter. Aber während ich ausmiste oder mähe, rumort es weiter in meinem Kopf. Und irgendwann habe ich die Lösung. Mein Vater und ich tauschen uns ständig aus, das bereichert zusätzlich». Sowieso ist der Austausch, das «Über-den-eigenen-Tellerrand-Gucken», der ganzen Familie wichtig. Die älteste Schwester zog gar nach Schweden, der Bruder will nach Neuseeland. Ruedi selbst gewinnt durch den Kundenkontakt wichtige Einblicke in andere Lebenswelten. Als der spezielle Kuhlift für Indien bestellt wurde, da kam eine indische Vertreterin direkt nach Flühli. «Durch sie mehr über die Einstellung der Inder zu ihren Kühen zu erfahren, war enorm spannend», sagt Ruedi. «Sowieso finde ich: Wir leben im 21. Jahrhundert und auch wir Bauern sollen Weiterbildungstage haben, einen Austausch mit anderen Berufsleuten pflegen können und auch einfach mal Ferien machen dürfen.» Das will er unbedingt auch in Zukunft beibehalten können und nicht nur auf dem Hof krampfen von morgen bis abend. «Sonst kann es einem schnell passieren, dass man den Kopf nicht mehr frei hat für Neues».

Prototyp in Entwicklung

Das Neue, das steht schon als halbfertiger Protoyp in der Werkstatt. Dazu inspiriert wurde Ruedi durch ein Erlebnis bei der Hofübernahme: «Gleich am Anfang war bei einer Kuh ein Kaiserschnitt nötig. Das wird stehend gemacht, in unserem Behandlungsstand. Ich konnte beobachten, wie es dem Tier dabei ging und was der Tierarzt wo machte. Vor allem auch, wo er Mühe hatte wegen der Konstruktion des Standes». Ruedi ist nun dabei, einen komplett neuen Behandlungsstand zu bauen, modular, anpassbar. Bis zum ersten Test wird es noch ein bisschen dauern. Zuerst müssen die letzten Hänge gemäht, die Sommersaison beendet sein.

Text und Bilder: Alexandra Rozkosny

Erschienen im September 2025