Pferde für fast alles

Kobi Furrer hat vor fast 30 Jahren die Liebe zu den Freibergerpferden gepackt. Damit er und Sandra auf ihrem steil gelegenen Hof oberhalb von Romoos welche halten können, arbeiten sie mit ihnen im Wald und verkaufen deren Milch.

«Hü, vor, hü!», ruft Jakob, der 16-jährige Sohn von Kobi Furrer. Er steht auf einem grossen Sandplatz in Schüfpheim, vor ihm die Freibergerstute Jessica. Statt eines Sattels trägt sie ein spezielles Joch, das Kummet, und ein Zaumzeug mit langen Zügeln. Die beiden stehen gerade am letzten Hindernis eines Parcours im Holzrücken. Dabei zieht das Pferd einen etwa fünf Meter langen Holzstamm zwischen Engstellen hindurch oder über Hindernisse hinweg. Dabei muss das Pferd auch rückwärts gehen. Für ein Fluchttier eine Höchstleistung. Der Führer oder die Führerin laufen vor, neben oder hinter dem Pferd und geben mit der Stimme oder den Zügeln die Kommandos. Die kennt Jessica alle perfekt, es ist nicht ihr erster Wettkampf. Dennoch ist sie nervös und Jakob auch. Denn im Gegensatz zu ihr ist es für ihn heute eine Premiere. Jessica zieht den Baumstamm auf zwei weitere. Am Ende müssen alle drei Stämme vorne gleich weit hinausschauen. Jeder Zentimeter zu wenig oder zu viel gibt Punktabzug. «Hü», ruft Jakob erneut und hält die Zügel nur ein kleines bisschen locker. Jessica macht nur einen kleinen Schritt, dennoch schaut der Stamm etwa fünf Zentimeter hinaus. Das wars. Am Ende wird es nur für einen der hinteren Ränge reichen. Aber immerhin, beim ersten Mal den ganzen Parcours geschafft.

Das Projekt in Kürze

  • Landwirtschaftsbetrieb
  • Bachverbau
  • Lärbode bei Romoos

Forstarbeiten und Milch für Allergiker

Pferd und Führer gehen vom Platz, nach einer kurzen Besprechung mit dem Vater, übernehmen Mutter Sandra und Schwester Chantal das Pferd. Jessica soll so rasch wie möglich wieder hoch zum Hof, wo ihr Fohlen wartet. Sie ist eines von drei Pferden, dass die Forrers auf ihrem Hof haben. Der Liebe wegen. Die begann für Kobi vor über 30 Jahren. Er startete gerade beim Militär in der Train-Kompanie. An diesem Tag wurde jedem Soldaten ein Pferd zugeteilt: «Der Pferdetransporter ging auf, ich sah die Stute und sagt: Diese will ich.» Das Glück wollte es, dass Kobi das Tier später ganz übernehmen konnte. Ein teures Hobby wäre das geworden, doch der 48-Jährige fand eine Einnahmequelle. Mit Mädi konnte er bald richtig Holzrücken. Denn das ist nicht nur ein Hobby. Es gibt trotz Forstmaschinen und Helikoptern gerade im Berggebiet Stellen, wo die Maschinen nicht hinkommen oder den Wald zu stark verletzen würden. Dann braucht es Pferd und Führer, die die Stämme umsichtig einzeln aus dem Wald ziehen. Das Duo war dadurch so eingespielt, dass die beiden gleich zehn Mal Schweizer Meister im Holzrücken wurden. Mit 28 Jahren verstarb die treue Stute. Jessica ist eine Tochter von ihr. Seither halten Kobi und Sandra Furrer neben den Milchkühen einige wenige Pferde dafür. Aber nicht nur. Die zwei Stuten geben wertvolle Milch für Allergiker. Von den 30 Litern, die sie pro Tag produzieren, zweigt Kobi Furrer etwa einen Liter ab. «Mit den Einnahmen können wir knapp die Fixkosten für die Pferde decken», sagt Kobi.

Grosser Tag für die ganze Familie

Sowieso ist der Bergbetrieb der Furrers eine grosse Gratwanderung. Der Hof liegt so steil, dass keine Weide flach ist. «Es ist harte Arbeit. Und man muss innovativ sein und sich auf unterschiedliche Standbeine abstützen, will man bei uns oben auf dem Lärboden als Bauernhof überleben», sagt Kobi. Doch für den grossen Tag in Schüpfheim nimmt sich die ganze Familie Zeit – Kobi besonders: Er ist dieses Jahr erstmals OK-Präsident. Für das grosse Finale – das Fohlenbingo – bringen die Furrers sogar ihre beiden Stuten samt Fohlen hinunter auf den Sandplatz. Nicht, um schwierige Hindernisse zu bewältigen. Nein. Die Fohlen stehen im Mittelpunkt und haben eine einzige Aufgabe: Pferdeäpfel fallen zu lassen. Denn der ganze Platz wurde in Quadratmeter aufgeteilt, Festbesucher konnten auf Wetten aufs «Landequadrat» abschliessen. Doch die Pferde scheinen die ungewohnt flache, grosse Lauffläche ungemein zu geniessen. Statt zu «markieren», rennen die Fohlen herum, beschnuppern die Hindernisse und wälzen sich gar auf dem Rücken. Für einmal gibt es auch für die Furrers nicht mehr zu tun. Nur warten.

Text und Bilder: Alexandra Rozkosny

Erschienen im September 2025