«Von August bis Dezember führe ich keine Agenda»

Alle drei Jahre dreht sich im Leben von Christa Hofstetter Marbacher alles nur um eines: ihre Hauptrolle in der Operette in Entlebuch. Die nächste Produktion «Der Vogelhändler» findet im Herbst 2026 statt – dafür stehen der Entlebucherin bis zu 100 Proben bevor.

Noch ist es ruhig und alles läuft wie gewohnt in Entlebuch. Doch in etwas mehr als einem Jahr wird das Dorf im Ausnahmezustand sein. Dann ist nämlich wieder Operettenzeit. Alle drei Jahre veranstaltet der Verein Theatergesellschaft Entlebuch eine Operette mit rund 30 Aufführungen im Hotel Port. Eine Produktion, bei der rund 200 Personen mitwirken: Von der Regie und dem Chor über die Solistinnen und Dirigenten bis zur Näherin und zum Bühnenbauer. Bis auf wenige Ausnahmen stammen sie allesamt aus dem Dorf Entlebuch und der Region. Eine davon ist die Entlebucherin Christa Hofstetter Marbacher. Die gelernte Primarschullehrerin spielt im nächsten Operettenstück die «Kurfürstin», eine der Hauptrollen des Stücks «Der Vogelhändler». «In ungefähr einem Jahr gehts wieder los. Ich merke jetzt schon, wie es langsam wieder anfängt zu kribbeln», sagt Christa. Für die 47-Jährige ist es nicht der erste Auftritt an einer Entlebucher Operette. Bereits fünf Mal schlüpfte sie in eine Hauptrolle, das erste Mal vor 23 Jahren. «Damals habe ich fast Blut geschwitzt. Ich verspürte einen enormen Druck und wusste, wenn ich es nicht packe, dann fällt das Stück auseinander. Heute habe ich viel mehr Erfahrung und kann besser mit dieser Situation umgehen».

Theatergesellschaft Entlebuch

  • 1834 Gründungsjahr
  • 1977 Seither Aufführung Operetten im Drei-Jahres-Rythmus
  • 2020 Keine Aufführung wegen Corona
  • 2023 Keine Aufführung wegen Umbau Hotel Port
  • 2026 Nächste Operette «Der Vogelhändler»

«Der Hund bekommt ja Ohrenweh»

Zum ersten Mal in Kontakt mit Operetten-Musik kam Christa in der 3. Klasse. Damals spielte ihre sechs Jahre ältere Schwester im Orchester mit, welches die Operetten-Aufführung «Schwarzwaldmädel» im Jahr 1987 in Entlebuch musikalisch begleitete. Der Dirigent des Orchesters schenkte dann allen aus dem Orchester eine Kassette mit den Aufnahmen der Operette. «Ich erinnere mich noch gut an die Aufnahmen, sie klangen furchtbar. Aber nicht, weil das Orchester falsch spielte, sondern weil die Qualität schlecht war und Aufnahmen rauschten und surrten», sagt Christa und fügt an, «trotzdem haben meine Freundin und ich damals diese Lieder überall und bei jeder Gelegenheit lauthals mitgesungen». Auch von den darauffolgenden Operetten bekam Christa jeweils eine Kassette, zum Beispiel von der Operette «Gräfin Mariza», welche 1993 in Entlebuch aufgeführt wurde. «Das Stück hat mir besonders gefallen. Ich habe die Kassette immer zum Abwaschen gehört und voller Inbrunst mitgesungen. Auch meine Grossmutter hatte grosse Freude am Operettengesang und öffnete oft mit Stolz die Fenster, damit mich alle Nachbarn hören konnten. Mein Vater hatte eher Bedauern mit dem Hund und meinte schmunzelnd: ‹Von den lauten und hohen Tönen bekommt der Hund ja Ohrenweh!», erzählt Christa lachend. Das Operetten-Fieber liess Christa nicht mehr los. Sie besuchte unzählige Vorführungen, nahm Gesangsstunden und stand 1996 erstmals selbst bei einer Operette auf der Bühne – damals allerdings noch als Chorsängerin und ohne eigene Rolle. Die erste Hauptrolle folgte in der Operette 2002 als «Olga» im Stück «Die lustige Witwe». Seither belegte Christa bei fast allen Entlebucher Operetten eine der Hauptrollen: Bei der Aufführung von «Eine Nacht in Venedig» im Jahr 2005, bei «Gasparone» 2008, in der Operette «Der Bettelstudent» 2014 und zuletzt bei «Madame Pompadour» 2017. «Es ist schon schön zu merken, dass man sich über all die Jahre entwickelt und verbessert, vor allem in der Gesangstechnik, dem Selbstvertrauen und im Umgang mit dem Druck. Bei der letzten Operette ‹Madame Pompadour› war ich pro Aufführung fast dauerhaft auf der Bühne und habe entweder gesungen, gespielt oder gesprochen. Und trotzdem stand ich am nächsten Morgen jeweils wieder voller Tatendrang und mit frischer Stimme auf. Das wäre zu Beginn meiner Operettenzeit unmöglich gewesen».

Operette Entlebuch

Seit der Gründung der Theatergesellschaft Entlebuch im Jahr 1834 werden alle Operetten im Hotel Port im Entlebuch aufgeführt. Die nächste Operette «Der Vogelhändler» findet im Herbst 2026 statt.

Eine grosse Operetten-Familie

Seit 1834 werden im Hotel Port in Entlebuch Operetten aufgeführt, seit 1977 im Drei-Jahres-Rhythmus. Normalerweise. Denn wegen Corona und dem Umbau des Hotels fanden die Operetten im Jahr 2020 und 2023 nicht statt. Nun, fast zehn Jahre nach der letzten Aufführung und dem frisch renovierten Hotel Port, ist es im Herbst 2026 wieder so weit: «Ich bin überglücklich, dass ich endlich wieder auf der Operetten-Bühne singen darf. Ich hatte zwischendurch zwar andere Auftritte, aber bei einer Operette mitzumachen, das ist einfach das Allergrösste für mich», sagt Christa. Doch nicht nur wegen dem Singen freut sich Christa auf die nächste Operette, auch die Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen sei jedes Mal etwas Besonderes: «Es ist unglaublich schön, wie alle Akteurinnen und Akteure zu einer grossen Familie zusammenwachsen und füreinander da sind. Während der Operetten-Zeit sagen wir immer, das Operetten-Fieber sei im Dorf ausgebrochen».

Rund 100 Proben für eine Operette

Bis es aber mit den Aufführungen im nächsten Jahr so weit ist, steht Christa und ihren Operetten-Kolleginnen und -kollegen noch viel Arbeit bevor. Texte auswendig lernen, Melodien verinnerlichen, Gesangsstunden besuchen, Proben mit dem Ensemble und Proben mit dem Chor: «Je näher die Aufführungen rücken, desto intensiver wird es. Die Monate vor und während der Operette, also von August bis Dezember, führe ich keine Agenda mehr. Während dieser Zeit bestimmen die Proben meine Freizeit.» Eine grosse Hilfe ist für Christa ihr Mann Guido: «Ohne ihn würde es nicht gehen. Er unterstützt mich in allen Belangen, übt meine Rolle mit mir und kümmert sich während den intensiven Zeiten um unsere beiden Kinder. Mittlerweile sind unsere Kinder aber auch schon in einem Alter, wo sie vielleicht bald schon selber bei der Operette mitspielen werden. Neu haben wir nämlich wieder einen Kinderchor auf der Bühne, was uns besonders freut», sagt Christa. Bis zu 100 Proben absolviert Christa für ihren Auftritt in der Hauptrolle – gestartet wird diesen Oktober. Eine beachtliche Anzahl, wenn man bedenkt, dass bis auf die künstlerische Leitung alle in Fronarbeit mitwirken. «Es ist natürlich ein sehr intensives Hobby, aber das Singen erfüllt mich mit enormer Freude und gibt mir viel Energie. Zudem ist es etwas Wunderbares, wenn ich andere Menschen mit meinem Gesang berühren darf. Und wenn man sieht, dass fast alle auf und hinter der Bühne Laien und Einheimische sind, macht mich das besonders stolz».

Text und Bilder: Lukas Ziegler

Erschienen im September 2025

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