«Wir hatten mehrere Evakuierungen.»

Der Sustenpass ist wieder offen. Doch der starke Wintereinbruch von vergangener Woche hatte einige Besucher auf dem falschen Fuss erwischt. Zur Rettung kamen die Männer vom kantonalen Strasseninspektorat. Mathias Ming erzählt.

Federleicht schwingen die beiden Flügel der Schranke oberhalb des Hotels «Steingletscher» zur Seite. Mathias Ming vom kantonalen Strasseninspektorat fixiert sie und lässt die beiden Vorhängeschlösser wieder einschnappen. Jetzt ist der Pass wieder offen – wie es sein soll im Sommerhalbjahr. Es ist 9.30 Uhr an diesem Mittwoch, 18. September, kommuniziert ist eine Öffnung um 10 Uhr. «Wir sind extra ein bisschen früher dran, damit das Postauto, das von Wassen im Urnerland herkommt, nicht warten muss.» Schon bevor der gelbe Bus in der Kehre weiter oben auftaucht, braust ein Mercedes mit deutschen Nummernschildern vorbei. «Die Leute bekommen es immer schnell mit, wenn wir öffnen», sagt Mathias. Im Frühling gäbe es teils sogar lange Kolonnen vor der Schranke.

Camper ausgegraben

Eine halbe Stunde zuvor war Mathias noch auf dem Pass oben mit dem Schneepflug unterwegs. Letzte Schneereste von der Strasse räumen und an zwei schattigen Stellen, an denen die Strasse vereist war, salzen. Er zeigt auf einen immer noch schneebedeckten Parkplatz: «Hier oben habe ich letzte Woche ein schwedisches Pärchen im Camper ausgegraben.» Die beiden seien vom Wintereinbruch überrascht und komplett eingeschneit worden. Sie waren nicht die einzigen. Im Hotel auf dem Pass traf es eine Gruppe Töfffahrer aus Italien. Sie entschlossen sich, zwei weitere Nächte zu bleiben, bis zumindest der gröbste Schnee weg war. Nicht so eine Gruppe Sportwagenfahrer aus Asien. «Die wollten so schnell wie möglich runter», so Mathias. Er wurde eine richtige Evakuationsübung. Mathias fuhr mit der Schneefräse voraus, die teuren Boliden im Konvoi hinterher. «Ich sagte den Männern, dass es nicht ungefährlich sei und dass im Falle von Schäden keine Versicherung zahlen würde», erzählt Mathias. Das sei den Gestrandeten aber egal gewesen. «Geld spielt keine Rolle», hätten sie versichert.

«Es gibt nichts, was es nicht gibt.»

«Ja, man erlebt einiges hier auf den Pässen oben», sagt Mathias. Einmal im Frühsommer – die Pässe waren noch gesperrt und am Grimsel ein paar Meter nicht geräumt – sah er eingangs Innertkirchen einen polnischen LKW vorbeifahren. «Ich ging davon aus, der müsse im Dorf etwas abladen und dachte nicht weiter daran.» Am nächsten Morgen stand am Grimsel die Schranke offen und das Schloss fehlte. Weiter oben erzählten Spuren im Schnee die ganze Geschichte. Offenbar wollte der Chauffeur partout nicht einsehen, dass es kein Weiterkommen gab. Er muss das Schloss geknackt haben und weitergefahren sein. Einige hundert Meter weit schaffte er es, auf der schneebedeckten Strasse weiterzukommen, bis er schliesslich feststeckte. Dann musste er mit seinem Sattelschlepper durch mehrere Kehren rückwärts wieder runtergefahren sein, bis er einen Platz zum Wenden fand und die Rückfahrt antrat. «Es gibt nichts, was es nicht gibt», sagt Mathias kopfschüttelnd.

Text und Bilder: Max Hugelshofer

Erschienen im Oktober 2024