Aus einer Badewanne zwei Lavabos gemacht

Bis vor einem Jahr gab es im ganzen Blenio-Tal südlich des Lukmanierpasses keine ausserfamiliäre Kinderbetreuung. Dank dem grossen Engagement von Giuliana Colombini und einer überraschenden Lösung des Architekten konnte eine Kita in Acquarossa öffnen. Mit Erfolg.

Das kaum zweijährige Mädchen klettert die Treppe zu einem Holzkasten hoch, der mitten im Spielzimmer steht. Oben hält sie sich an den Stäben des Geländers fest, lächelt die Betreuerin und Kitaleiterin Flavia Pace zufrieden an und legt sich dann auf die Wickelmatte. Den Kletterkasten liess das Team der Kinderkrippe Raggiodisole extra bauen. So können auch die Kleinsten selber zum Wickelplatz klettern. Das macht Spass, aber auch stolz. Denn das war für das Kita-Team von Anfang an zentral: Räume schaffen, in denen die Kinder so rasch so viel wie möglich selber machen können. Vom Umziehen zum Spielsachen holen bis zum Essen schöpfen und sich schlafen legen. Alles ist auf Kleinkinderhöhe. Möbel für Erwachsene gibt’s praktisch nur im Büro.

Eigenes Haus angeboten

Bis zum ersten Mal Kindergeschrei durch die Kita schallte, waren viel Arbeit und Geduld nötig. «Nach zwei Jahren Arbeit hatten wir alle Bewilligungen beisammen – auch dank der Unterstützung aller Gemeinden im Blenio-Tal», sagt die Vereinspräsidentin Giuliana Colombini. Was nun noch fehlte, war ein geeigneter Ort. «Und da half uns das Glück», sagt die quirlige, ehemalige Lokalpolitikerin. Sie fragte eine alte Frau in Acquarossa, die gut in der Gemeinde vernetzt war, ob sie von geeigneten Räumen wisse. Zur Überraschung von Colombini bot die alte Dame kurzerhand ihr eigenes Zweithaus zur Miete an. Es liegt gleich neben dem ihrigen. Nicht nur war die heute 105-Jährige von der Idee einer Kita begeistert, sie freute sich mit ihrem Mann zusammen auf neues Leben vor ihrem Haus.

Das Projekt in Kürze

  • Kita
  • Umbau
  • Acquarossa/TI

Badewanne in Labavos verwandelt

Knifflig war dann der Umbau, weil das einstöckige Haus möglichst wenig verändert werden sollte. Die grösste Herausforderung: Die sanitären Anlagen. Aus einem Lavabo etwa mussten deren zwei werden. Der Architekt fand eine überraschende Lösung. Er «packte» die Badewanne in einen wasserdichten Kasten, auf den er ein langes Lavabo mit zwei Wasserhähnen platzierte.

Zur Eröffnung im Sommer 2020 durften die drei Kita-Betreuerinnen acht Kinder willkommen heissen. Es sprach sich rasch herum, dass sich die Kleinen hier sehr wohl fühlen. «Seit August sind wir ausgebucht», freut sich Flavia Pace. 14 Kinder haben nun einen eignen Kleiderhaken, eine eigene Wäschekiste und viel Platz drinnen und draussen, um die Welt zu erkunden.

Nur einen Wermutstropfen gibt es: Die Besitzerin des Hauses musste noch vor der Eröffnung altershalber ins Heim zügeln. Und wegen der Corona-Krise durften lange keine externen Besucher in die Kita kommen. Doch Colombini will die alte Dame so bald wie möglich einladen, damit sie sich ihr verwandeltes Haus anschauen kann.

Text und Fotos: Alexandra Rozkosny

Erschienen im September 2021

Die Unterstützung

Vor der Eröffnung der ersten Kindertagesstätte im Blenio-Tal waren einige Umbauten nötig. Dank der Berghilfe verfügt die Kita nun über sanitäre Anlagen und Möbel auf kindergerechter Höhe. Möchten auch Sie unterstützen?
Was Sie tun können
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.