Aus Bäuerinnen werden Unternehmerinnen

«Ürner Hüsgmachts» sichert 20 Bäuerinnen ein wichtiges Zusatzeinkommen.

«Das waren jetzt wohl endgültig die letzten für dieses Jahr», sagt Silvia Gisler, während sie sich vorsichtig über den Abhang beugt und ein Büschel wilden Thymian auszupft. Vor einer Woche lag hier, oberhalb von Unterschächen im steilen Urner Schächental, bereits der erste Schnee des Jahres. Doch die Herbstsonne hat dafür gesorgt, dass die feinen Bergkräuter auf dem grossen Fels direkt hinter dem Bergbauernhof von Familie Gisler nochmals nachgewachsen sind. Silvia Gisler ist froh darüber: «Mein Estrich ist zwar voll von getrockneten Kräutern, aber es ist schwer abzuschätzen, wie viel ich diesen Winter über brauchen werde. Ich habe in jeder freien Minute gesammelt, damit es reicht, bis im Frühling neue wachsen.» Denn dieses Jahr produziert Gisler ihre Kräutertees und ihr Kräutersalz erstmals nicht nur für den Eigenbedarf, sondern zum Verkaufen. Tee und Salz sind zwei der knapp 60 Produkte, aus denen man sich bei «Ürner Hüsgmachts» ein individuelles Geschenk-Kistli zusammenstellen kann.

Hinter «Ürner Hüsgmachts» stehen 20 Bäuerinnen aus dem ganzen Kanton Uri. Die meisten von ihnen leben wie Familie Gisler abgelegen in den steilen Seitentälern. Sie alle stellen mit grosser Hingabe und viel Kreativität Spezialitäten her. Bisher haben sie diese Produkte selbst verbraucht, an Freunde und Verwandte verschenkt oder allenfalls im eigenen Hoflädeli verkauft. Seit Mai dieses Jahres vermarkten sie ihre Produkte gemeinsam und professionell. In Altdorf, auf dem Hof von Antonia Walker, haben sie einen Verkaufs- und Verarbeitungsraum eingerichtet. In langen Regalen lagern hier die Köstlichkeiten: Meringues, Nidlätäfeli, Löwenzahn-Brotaufstrich, Goldmelissensirup, Zwetschgenpunsch, Knoblisenf, Brombeeressig, Formaggini im Kräuteröl, Himbeerlikör, Wildheuspeck und vieles mehr, alles liebevoll abgepackt und einheitlich beschriftet. Auch Holz- und Kartonkisten, leere Einmachgläser, Plastiktüten und weiteres Verpackungsmaterial lagern hier. Die Einrichtung des Raums und das viele nötige Verpackungsmaterial kostete die Frauen viel Geld, ebenso die Flyer, Etiketten und der Internetauftritt. Die Schweizer Berghilfe übernahm als Starthilfe einen Teil dieser Kosten. Geschäftsführerin Antonia Walker: «Dieser Beitrag hat uns viel Druck weggenommen. Hätten wir alles selber bezahlen müssen, wäre es für viele von uns gar nicht möglich gewesen, einzusteigen.» So wäre die beindruckende Breite des Angebots nicht zustande gekommen, und der Erfolg des Projekts wäre mehr als ungewiss gewesen.

Doch nun stellt Antonia Walker im Raum auf ihrem Hof die Kistli nach den Wünschen der Kunden zusammen. Sie macht dies öfter als angenommen. «Es läuft erstaunlich gut, wenn man bedenkt, dass wir erst im Mai angefangen haben», sagt sie. Bis zu 20 Kistli pro Woche hat sie hergerichtet. Noch sind die Einkünfte aus den Geschenk-Kistli für die Bäuerinnen bloss ein willkommener Zustupf, Ziel ist aber für die meisten, weniger extern arbeiten zu müssen und trotzdem ihren wichtigen Beitrag zum Familieneinkommen leisten zu können.

Grosse Hoffnungen setzen die Bäuerinnen nun in ihren ersten Weihnachtsverkauf. Von ihrem Produkt sind sie überzeugt: «Ein Ürner Hüsgmachts-Kistli ist das perfekte Geschenk, auch für Leute, die eigentlich schon alles haben», sagt Antonia Walker. Zum Staubfänger wird es sicher nicht: Schliesslich kann man alles essen, was in den Kistli drin ist. Um für den erhofften Ansturm bereit zu sein, produzieren die Bäuerinnen im Moment auf Hochtouren. Auch Silvia Gisler richtet sich am Küchentisch ein, um nach ihrem letzten Kräutersuch-Ausflug des Jahres nochmals einige dutzend Säckchen Kräutertee abzufüllen.

uerner-huesgmachts.ch

Text und Bild: Max Hugelshofer

Erschienen im Dezember 2014

Das Projekt in Kürze

  • Bergbäuerinnen
  • Einrichtung eines Verkaufs- und Verarbeitungsraum
  • Altdorf/UR
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.