Chef im ehemaligen Abenteuerspielplatz

Die «Friedegg» spielte immer eine wichtige Rolle im Leben von Daniel Forrer. Als Kind war das Hotel sein Abenteuerspielplatz, danach beeinflusste es seine Karriere. Diese hat der 60-Jährige abgebrochen, um als Gastgeber nochmals durchzustarten. Natürlich in der «Friedegg».

«Das Haus ist voller kleiner Kammern, Schlüpfe und Estriche. Hier zum Beispiel: In diesem Raum unter der Dachschräge lagern wir Putzmaterial. Hinter dem Gestell hat es aber nochmals ein Türchen, das zu einem noch kleineren Raum führt. Hier war man beim Versteckspielen immer sicher. Wir haben stundenlang Verstecken gespielt hier im Gasthaus Friedegg. Also damals war es noch ein Hotel. Ich bin in Sichtweite aufgewachsen und war mit den Kindern der Hoteliersfamilie befreundet. Jede freie Minute habe ich hier in diesem alten Haus verbracht. Schon damals bedeudete mir die «Friedegg» viel. Später, als es dann um die Berufswahl ging, machte ich als erstes ein Kochpraktikum in der Hotelküche. Damals brummte der Laden. Wir hauten pro Tag bis zu 200 Mahlzeiten raus – und das bei 80 Sitzplätzen.

Zum Kochen war ich nicht geboren, aber ich absolvierte die Hotelfachschule. Danach blieb ich dem Gastgewerbe treu, wechselte aber die Seiten. Arbeitete im Verkauf, zuletzt viele Jahre als Key-Account-Manager bei einer grossen Brauerei. Da ging es bei Weitem nicht mehr nur ums Bier-Verkaufen. Sehr oft treten die Brauereien auch als Finanzierungspartner bei Um- und Neubauten auf. So bekam ich Einblicke in die Finanzierung und Führung eines Gastrobetriebs.

Nerven von Freunden strapaziert

Die Idee, ein eigenes Gasthaus zu eröffnen, hatte ich immer im Hinterkopf. Vielleicht auch nicht so weit hinten. Einem guten Freund, dem ich scheinbar etwas zu oft von meinem imaginären Gasthaus vorfantasiert hatte, riss jedenfalls der Geduldsfaden. Er sagte: «Ich kenne jetzt wirklich jedes kleinste Detail deines zukünftigen Betriebs. Ich will kein Wort mehr darüber hören, bis du ihn wirklich eröffnest.»

Das Projekt in Kürze

  • Bed & Breakfast
  • Umbau
  • Wildhaus/SG

Feierabend erst um 22 Uhr

Das war vor vielen Jahren. Seither habe ich die unterschiedlichsten zum Verkauf stehenden Häuser an verschiedensten Orten angeschaut. Aber es hat nichts gepasst. Die Geschichte der «Friedegg» hatte ich immer mitverfolgt, auch wenn sich mein Lebensmittelpunkt inzwischen aus dem Toggenburg raus verlegt hatte. Aus der Ferne sah ich, wie der Stern des Hotels weiter stieg und dann, als die befreundete Familie es verkaufte, zu sinken begann. Es folgten viele Besitzerwechsel, investiert wurde nicht mehr, die Gästezahlen sanken. Als das Haus einmal mehr zum Verkauf angeboten wurde, schlug ich zu. Ich konnte mir so nicht nur meinen alten Traum vom eigenen Betrieb erfüllen, es schloss sich auch ein Kreis. Die «Friedegg» hatte mich wieder. Und auch das Toggenburg, denn ich zog in mein altes Elternhaus.

Gemeinsam mit vielen Freunden machte ich mich an den Umbau. Es gab viel zu sanieren, aber auch Sachen, die ich anders haben wollte. Den riesigen Speisesaal habe ich unterteilt und einen gemütlichen Aufenthaltsraum mit Bibliothek eingerichtet. Für mich war immer klar, dass ich die «Friedegg» nicht weiter als Hotel führen möchte, sondern als Bed and Breakfast. Um das Frühstück zuzubereiten, tut es die in die Jahre gekommene Hotelküche noch. Es gibt ja genügend gute Restaurants in der nahen Umgebung, denen muss ich nicht Konkurrenz machen. Und ich habe es ja schon gesagt: Der geborene Koch bin ich nicht. Auch komme ich so mit wenig Personal aus. Ich selbst bin ständig hier. Ausserdem kann ich auf die engagierte Mithilfe mehrerer Teilzeitmitarbeiterinnen und -mitarbeiter aus dem Tal zählen.

Das Interesse an der «Friedegg» ist gross, und vor allem kommen die meisten Gäste nach ihrem ersten Besuch wieder. Es sind Ruhesuchende, aber auch Wanderer und Biker. Explizit sprechen wir keine Familien an. Nicht etwa, weil ich keine Kinder mögen würde, sondern einfach, weil es für dieses Gästesegment im Toggenburg schon genug Angebote gibt. Obwohl diese natürlich nie so perfekte Bedingungen fürs Versteckspielen bieten können.»

gasthaus-friedegg.ch

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im September 2021

Die Unterstützung

Obschon Daniel Forrer sich in seinem bisherigen Berufsleben ein schönes Startkapital zusammensparen konnte, reichte das Geld nicht ganz für die Sanierung der «Friedegg». Die Berghilfe sprang ein.
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.