Das Dorf bleibt ein richtiges Dorf
Die Einwohner von Libingen haben sich zusammengetan, um den Dorfladen zu retten.
Die Einwohner von Libingen haben sich zusammengetan, um den Dorfladen zu retten.
Libingen im Toggenburg hat alles, was zu einem richtigen Dorf gehört: eine Schule, eine Kirche, eine Bäckerei, zwei Restaurants und einen Dorfladen. Doch die Tage des Ladens schienen gezählt. Bis sich die Einwohner zusammentaten und für ihren Laden einstanden. So erlebte er mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe mitten im Winter einen zweiten Frühling.
Wenn bei Sabrina Kläger zuhause das Telefon schellt und nach einem Mal gleich wieder still ist, dann weiss die Bäuerin aus Libingen im Toggenburg: Im Dorfladen brauchen sie wieder Eier. Klägers gehören zu den lokalen Lieferanten, deren Produkte aus dem Dorfladen in Libingen ebensowenig wegzudenken sind wie das gesegnete Speisesalz oder den süssen Malaga. «Den trinkt schon ein Dorf weiter kein Mensch, aber bei uns ist er ein Verkaufsschlager», sagt Sonja Kläger, die nicht mit der Bäuerin Sabrina Kläger verwandt ist. Sie hilft Teilzeit im Laden aus und ist froh um diese Verdienstmöglichkeit. Vor allem ist sie aber wie viele Libiger froh, dass sie direkt um die Ecke einkaufen kann und nicht jedes Mal nach Wattwil fahren muss.
Dieses Szenario, das vor allem für die älteren Einwohner, die nicht mehr mobil sind, alles andere als erfreulich war, drohte vor einem Jahr wahr zu werden. Die Betreiberin des Ladens ging nach mehreren Jahrzehnten in Pension, und eine Nachfolge war nicht zu finden. Dazu war der Laden in einem zu schlechten Zustand, und die Umsätze gingen stetig zurück. Die Libiger mussten sich die Frage stellen: «Ist uns unser Dorfladen noch etwas wert?» Sie taten dies an einer Versammlung der Konsumgenossenschaft. Und die Antwort war ein klares Ja. Der grösste Teil der rund 300 Einwohnerinnen und Einwohner von Libingen, das politisch zur Gemeinde Mosnang gehört, zeichneten mindestens einen neuen Genossenschaftsschein – und waren bereit, dafür je 500 Franken zu investieren. So kamen deutlich über 100'000 Franken zusammen. Gemeinsam mit einer Hypothek, einem Beitrag der Gemeinde und der Unterstützung der Schweizer Berghilfe in der Höhe von 80'000 Franken kamen so die 305'000 Franken zusammen, die nötig waren, um den Laden neu einrichten zu können.
Ein neues Kassensystem, neue Kühltruhen und vor allem viel Licht lassen den kleinen Laden modern und viel grösser als bisher erscheinen. «Es ist kein Vergleich zu vorher», sagt Hans Aggeler, Präsident der Konsumgenossenschaft. So konnte auch wieder eine neue Geschäftsführerin gefunden werden. Und die Umsatzzahlen? Die können nur wieder nach oben zeigen, wenn die Libigerinnen und Libiger wieder vermehrt auch mal den Grosseinkauf in ihrem Laden tätigen. Das Bewusstsein dafür wurde an der Genossenschaftsversammlung vor einem Jahr geweckt. Nicht zuletzt, weil Gemeindepräsident Bernhard Graf seinen Libigern damals tüchtig ins Gewissen geredet hatte. «Wenn man einen Laden will, muss man auch im Laden einkaufen», sagte er. «Und der «man», der seid ihr alle.»
Offenbar hat es gewirkt. «Seit der Eröffnung im Dezember läuft es so gut wie seit Jahren nicht mehr», sagt Hans Aggeler. Nun geht es darum, den Einwohnerinnen und Einwohnern täglich in Erinnerung zu rufen, was sie an ihrem Laden haben. Damit dies nicht nochmals der Gemeindepräsident tun muss.