Für sie ist das ganze Jahr über Weihnachten
In der Zeit vor Weihnachten muss Maude Christen jeweils mit wenig Schlaf auskommen. Die 35-Jährige stellt in ihrem «Atelier Nomade» von Hand Patisserie her. Und jetzt ist Guetzli-Zeit.
In der Zeit vor Weihnachten muss Maude Christen jeweils mit wenig Schlaf auskommen. Die 35-Jährige stellt in ihrem «Atelier Nomade» von Hand Patisserie her. Und jetzt ist Guetzli-Zeit.
«Petit Bonhommes» heissen Maude Christens Lieblingsguetzli. Für jedes der Männchen aus Teig nimmt sie zwei frisch gebackene Guetzli und streicht Brombeerkonfitüre dazwischen. Dann wird der «Bonhomme» in flüssige Schokolade getunkt und bekommt so eine braune Zipfelmütze verpasst, die wiederum mit kleinen Haselnusssplittern verziert wird. Zum Schluss zeichnet Maude auf jedes einzelne Gebäck mit dem Spritzbeutel ein Gesicht aus Schokolade. «Eigentlich sind diese ’Biscuits’ viel zu arbeitsaufwändig, aber sie gefallen mir einfach so sehr», lacht sie.
Das Guetzlibacken war schon immer Maudes Leidenschaft. «Bereits als Kind konnte ich nicht bis Weihnachten warten und produzierte auch mitten im Jahr ständig Cookies oder Mailänderli. Die Ausbildung zur Konditorin war der logische Schritt. Maude arbeitete rund zehn Jahre auf dem Beruf, unterbrochen von vielen längeren Reisen auf der ganzen Welt. Nebenbei buk sie für Freunde und Familie Guetzli. Vor knapp vier Jahren wagte sie dann den Sprung in die Selbstständigkeit. Sie hatte gerade bei einem neuen Arbeitgeber angefangen und litt darunter, dass dort nur die billigsten, industriell hergestellten Zutaten verwendet wurden. Kurzerhand kündigte sie und setzte ganz auf ihr bisheriges Hobby. Heute produziert sie laufend rund ein Dutzend Sorten Guetzli, dazu diverses aus Schokolade sowie ab und zu eine Geburtstagstorte auf Bestellung oder die in der Region typischen Weihnachts-Bûches. Natürlich alles aus lokalen Zutaten in Bio-Qualität. Ihr Geschäft heisst «Atelier Nomade», auch um Maude darüber hinwegzutrösten, dass im Moment kein Nomadenleben mit längeren Reisen mehr möglich ist.
Maude hat keinen eigenen Laden, sondern verkauft ihre Produkte in verschiedenen kleinen Bio- und Tante-Emma-Läden in der Umgebung. Ab und zu hat sie einen Stand an einem Weihnachts- oder Ostermarkt in der Region. Die Nachfrage entwickelte sich gut. So gut, dass die Küche, in der sie produzierte, bald aus allen Nähten platzte. Gut, dass ihre Eltern gerade ihren Bauernhof an Maudes Schwester übergeben hatten und in ein ehemaliges Schulhaus direkt neben dem Betrieb zogen. Dort, im ehemaligen Schulzimmer, in dem ihr Vater noch Lesen und Schreiben lernte, hat sich Maude mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe einen grosszügigen Verarbeitungsraum eingerichtet. Gebrauchte Profi-Geräte wie ein leistungsfähiger Backofen, Kühlschränke, eine Knetmaschine und ein Gerät zum Auswallen von Teig erleichtern ihr das Arbeiten nun massiv. «Hier kann ich doppelt so viel produzieren wie bisher. Und trotzdem bleib alles ’artisanal’», sagt sie.
Die «Petit Bonhommes» sind inzwischen fertig, im Ofen backen Mailänderli in Sternform und auf der Arbeitsfläche entstehen «fers à cheval», kunstvolle schokoladige Hufeisen. Daneben kühlen Schokoladetafeln mit Bergmuster aus, die Maude soeben gegossen hat. Und die Liste der Bestellungen ist noch lange nicht abgearbeitet. Auch heute wird Maude wohl spät ins Bett kommen. Ausschlafen kann sie wieder nach Weihnachten. Die Nachfrage nach Guetzli lässt dann nach, bricht aber nie ganz ein. Nur im Hochsommer macht Maude eine Produktionspause. Währenddessen arbeitet sie jeweils in einer Berghütte. «So viel Nomadentum muss sein», lacht sie.