Der Hof der zweisprachigen Kühe

Um die Zukunft seines kleinen Hofes zu sichern, musste Mathias Lerch mehr Milch produzieren. Dafür braucht er mehr Kühe – und mehr Platz.

Die Kühe von Familie Lerch machen nicht nur «muuh», sondern auch «meuh». Der Bauernhof in Les Reussilles im Berner Jura liegt genau auf der Sprachgrenze. Im neuen Stall können Lerchs nun eine etwas grössere Herde «zweisprachiger» Kühe halten.

Es war ein Angebot mit Folgen. Mathias Lerchs Cousin wusste, dass er seinen Hof zur Pensionierung würde aufgeben müssen. Von seinen Kinder hatte keines Interesse an der Nachfolge. Darum fragte er Mathias, der ganz in der Nähe, auch in Les Reussilles einen Hof bewirtschaftet, frühzeitig, ob er sein Milchlieferrecht der örtlichen Gruyère-Käserei übernehmen wolle.

Klar wollte der, denn beim Gruyère stimmt der Milchpreis noch, weil mit eingeschränkten Lieferrechten eine Überproduktion gezielt verhindert wird. Mehr Milch der Käserei verkaufen zu können, würde den Weiterbestand seines kleinen Hofes sichern. Und einem der drei Söhne, die alle ihre Zukunft in der Landwirtschaft sehen, den Lebensunterhalt ermöglichen. Aber: Für mehr Milch braucht man mehr Kühe. Und mehr Kühe brauchen mehr Platz. Viel mehr als im alten Anbindestall vorhanden war. Also hiess es für Mathias und seine Frau Myriam nach dem Wohnhausbau von vor zehn Jahren nochmals alles Erspartes zusammenkratzen, nochmals zur Bank, und nochmals zusätzliche Schulden machen. Ganz reichte es aber trotzdem nicht, und die Bagger konnten erst auffahren, als die Schweizer Berghilfe ihre Unterstützung zusicherte.

Das Projekt in Kürze

  • Bergbauernfamilie
  • Neuer Kuhstall
  • Les Reussilles/BE

Jetzt ist der neue Stall fertig, und die Kuhherde ist von 20 auf 34 Milchkühe angewachsen. «Es war eine strenge Zeit. Ein Bau für die nächste Generation», sagt Mathias. «Wir hätten das nicht gemacht, wenn nicht sonnenklar wäre, dass zumindest eines unserer fünf Kinder den Hof einmal übernehmen wird.» Von den Söhnen könnte es jeder sein. Der 20-jährige Didier hat Milchtechnologe in der Käserei in Les Reussilles gelernt und macht jetzt das Bauernlehrjahr, der 17-jährige Fabrice ist in der Lehre als Landmaschinenmechaniker. Und der neunjährige Adriel spielt zwar im Moment noch mit Spielzeugtraktoren und Holzkühen, möchte aber unbedingt auch Bauer werden. Auch die beiden Töchter, die 21-jährige Cristelle und die 15-jährige Aline, helfen gerne auf dem Hof mit, haben aber andere berufliche Ziele. Familiensprache ist Deutsch, aber alle sprechen genauso gut Französisch. Je nach Gesprächspartner wird blitzschnell umgeschaltet. «Hier wechselt die Sprache von Dorf zu Dorf, ja sogar von Haus zu Haus. Da muss man flexibel sein», erklärt Myriam.

Auch wenn der neue Stall für die nächste Generation gebaut wurde, vorerst sind es Mathias und Myriam, die davon profitieren. Durch das zusätzliche Milchgeld muss Mathias nicht mehr auswärts arbeiten gehen, die Arbeitstage sind nicht mehr ganz so lang und es bleibt mehr Zeit für die Familie. Gleichzeitig ist die Arbeit im Laufstall körperlich viel weniger streng als bisher. «Alles geht viel einfacher », erzählt Mathias begeistert. Und dies, obschon er sich an den Laufstall gewöhnen musste. «Ich war stolz darauf, dass meine Kühe immer sehr sauber waren. Im Laufstall geht das nicht mehr, das hat mir anfangs schon Mühe gemacht, obwohl sonst alles besser ist.» Aber das Wichtigste: Den Kühen ist es wohl im neuen Stall. «Auf mich wirken sie viel zufriedener als früher.» Und zwar egal, ob sie nun «muuh» oder «meuh» machen.

Text und Bilder: Max Hugelshofer

Erschienen im März 2018


Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.