Die Spaghetti-Hütte

Die Cabane du Demècre liegt auf 2361 Meter, hoch über Fully im Unterwallis. Errichtet wurde sie vom Militär während des Ersten Weltkriegs, zur Unterkunft für Wanderer umgebaut von vielen engagierten Freiwilligen. Vor einigen Jahren hat sie eine Rundumerneuerung erhalten, das Einfache von früher ist dabei aber nicht verloren gegangen.

Eine E-Mail-Adresse kann viel über die Leidenschaft ihres Besitzers aussagen. Etwa jene von Georges Arlettaz. Vor dem @ steht bei ihm «demecria», ein deutlicher Hinweis auf das, was ihm schon seit Jahrzehnten wichtig ist und wofür er einen grossen Teil seiner freien Zeit aufwendet: die Cabane du Demècre. Auf 2361 Meter über Meer, auf dem Col du Demècre, hoch über Fully im Unterwallis gelegen, unterscheidet sie sich deutlich von anderen Hütten. Zum einen thront sie nicht auf einem Grat oder zuoberst auf einem Felsen, sondern versteckt sich in einer kleinen Mulde. Das ist ihrer Geschichte geschuldet. Gebaut wurde sie nämlich als Unterkunft für die Soldaten, die im Ersten Weltkrieg mit ihren Kanonen das Unterwallis vor allfällig einmarschierenden ausländischen Truppen schützten. Da sollte man die Hütte natürlich nicht schon von Weitem sehen. Heute sorgt die Lage dafür, dass sie sich trotz knallrotem Blechdach sehr gut in die Umgebung einfügt.

Das Projekt in Kürze

  • Berghütte
  • Hüttenumbau
  • Fully/VD

Radikale Sparmassnahmen

Was die Cabane du Demècre auch noch von anderen Hütten unterscheidet, ist ihre Einfachheit. Ihrem Betreiber, dem Berglauf- und Wanderverein «Club des Trotteurs de Fully», ist es wichtig, die Preise niedrig zu halten, um auch Familien oder Jugendlichen eine Übernachtung zu ermöglichen. Dazu brauchte es einige ziemlich radikale Massnahmen. Bewartet wird die Hütte ausschliesslich von Freiwilligen, oft Clubmitgliedern, aber auch ehemaligen Gästen, die sich in das Ambiente und die Lage der Hütte verliebt hatten. Sie bleiben in der Regel für eine Woche und sind in dieser Zeit für die Bewirtung der Gäste, fürs Bereitstellen der Schlafplätze und für den gesamten Unterhalt zuständig. Damit das funktioniert, müssen alle Abläufe nicht nur genau dokumentiert, sondern vor allem auch möglichst einfach sein. Beim Essen geht es fast nicht einfacher: Es gibt ausnahmslos jeden Abend Spaghetti mit Sauce Bolognese aus dem Glas. Fertig. «Man ist ja meistens nicht länger als eine Nacht hier oben», sagt Georges, «da stört das nicht.»

Von Hütte zu Hütte

52 Kilometer lang ist die Tour de Muverans, die je nach Kondition drei-, vier- oder fünftägige Rundtour um den gleichnamigen Berg durch die Walliser und Waadtländer Alpen. Es gibt viele Übernachtungsmöglichkeiten, unter anderem die Cabane du Demècre. Ein idealer Einstieg ist beim Lac de Derborence.
Weitere Informationen

Ein halbes Leben für die Hütte

Georges selbst ist trotz seiner 78 Jahre auch immer wieder mal als freiwilliger Hüttenwart im Einsatz. Vor allem aber war er während 15 Jahren für die Hütte verantwortlich und massgeblich daran beteiligt, dass die Cabane heute so aussieht, wie sie aussieht. Er arbeitete an der ersten Instandstellung von 1987 bis 1989, als der Club den Betrieb der Hütte übernehmen konnte, genauso mit wie an der zweiten Sanierung im Jahr 2016. Erst kürzlich hat er sein Ehrenamt an Daniel Carron übergeben. Heute haben beide den gut anderthalbstündigen Marsch unter die Füsse genommen, um «ihre» Hütte zu zeigen und bei der Gelegenheit gleich zu prüfen, ob mit dem System der Wassersammlung alles in Ordnung ist. Georges steigt dazu mit einer Plastikflasche voll Wasser auf den Felsen hinter der Hütte und lässt das Wasser auf das Dach rinnen. Unten im Keller steht derweil Daniel und überprüft, ob das Wasser nach seinem Weg durch Rinnen und Leitungen auch in den Tanks ankommt.

Zum einfachen Leben gehört auch, dass es in der Hütte keine Dusche gibt und das etwas abseits gelegene Plumpsklo ohne Spülung auskommen muss. Die Gäste nehmen das gerne in Kauf. Die meisten von ihnen sind auf der Tour des Muverans, einer je nach Kondition drei- bis fünftägigen Rundwanderung in den Waadtländer und Walliser Alpen. Auch Daniel und Georges machen die Runde immer wieder mal. Bei ihnen dauert es allerdings weniger lang. Während der Bauarbeiten vor sieben Jahren gönnte sich Georges nach einem strengen Tag auf der Baustelle mal eine «Pause». Er lief die über 52 Kilometer und 4400 Höhenmeter führende Tour an einem Tag ab. Der Hund, den er und sein junger Begleiter dabeihatten, hatte tags darauf derart Muskelkater, dass ihn sein Besitzer im Rucksack ins Tal hinuntertragen musste.

Cabane du demecre.ch

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im Juni 2024

Die Unterstützung

Die Cabane du Demècre verfügte über viele Schlafplätze, abernicht über genügend Platz zum Essen und Sitzen. Ausserdem musste das Dach erneuert werden. Die Schweizer Berghilfe unterstützte bei den Umbauarbeiten.
Was Sie tun können

Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.