Die Wiedergeburt des Roggens
Oberwalliser Roggenbrot ist jedem Feinschmecker ein Begriff. Aber die Hauptzutat, der Bergroggen, wird immer seltener angebaut.
Oberwalliser Roggenbrot ist jedem Feinschmecker ein Begriff. Aber die Hauptzutat, der Bergroggen, wird immer seltener angebaut.
Die Genossenschaft Grafschaft Kultur stemmt sich gegen das Verschwinden des Bergroggens. Einwohner und Touristen gleichermassen bauen Roggen an, mahlen Mehl und backen Brote. Um das Korn verarbeiten und lagern zu können, kaufte die Genossenschaft einen alten Stadel, der mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe wieder nutzbar gemacht wurde.
Vom Stadel sieht man nicht viel. Ein riesiges Gerüst aus Metall umschliesst das jahrhundertealte Bauwerk aus fast schwarzen Holzbalken. Deren Zustand ist noch erstaunlich gut, doch es regnet durchs Dach. Der Dachstock und das Schindeldach müssen dringend ersetzt werden. «Bei einem so alten Bauwerk geht das ins Geld», sagt Norbert Agten von der Genossenschaft Grafschaft Kultur. Geld, das die Genossenschaft, welche aus Einwohnern, Landwirten, Heimweh-Grafschäftlern und Touristen besteht, nicht hat. «Wir sind sehr froh um die Unterstützung durch die Berghilfe», sagt Agten. «Denn nur mit dem trockenen Stadel können wir vom Anbau bis zur Verarbeitung alles selbst machen und den Kreislauf allen Interessierten zeigen.»
Dieser Kreislauf hat soeben mit der Aussaat des Roggens begonnen. Die Genossenschaft konnte mehrere Bauern dafür gewinnen, auf ihrem Land wieder Roggen anzubauen. Jetzt im Herbst keimt der Roggen noch, bevor er dann vom Schnee zugedeckt wird und erst im Frühling weiter wächst. Im Sommer wird das Getreide dann mit einem als Occasion gekauften Mähdrescher geerntet. Die Roggenkörner werden im neuen Stadel gereinigt und trocken gelagert. Das Sommerhalbjahr über wird in der vom Dorfbach angetriebenen Mühle Roggenmehl gemahlen, und an den monatlich stattfindenden Backtagen entsteht dann im Backhaus direkt hinter dem Stadel das feine Roggenbrot.
Dieses verkauft die Genossenschaft direkt an ihre Mitglieder im Dorf, aber auch über den Dorfladen an Feriengäste und Tagesausflügler. Es ist bei Feinschmeckern aus nah und fern sehr beliebt. Ein Feriengast ist so begeistert von dem Brot, dass er sich regelmässig mehrere Laibe reservieren lässt und extra von Bern anreist, um diese abzuholen. «Wir könnten problemlos mehr verkaufen, als wir produzieren», sagt Norbert Agten. Dank zusätzlicher mit Roggen bebauter Ackerflächen dürfte es bereits nächsten Sommer mehr werden. Für Maria Salzmann, eine der beiden freiwilligen Bäckerinnen geht es aber nicht in erster Linie ums Produzieren: «Ich will eine alte Tradition lebendig erhalten und weitergeben. Und Spass machen soll es auch.»
Gemäss Norbert Agten hat der gemeinsame Roggenanbau noch einen weiteren positiven Nebeneffekt: «Man kommt wieder vermehrt miteinander ins Gespräch, lernt sich besser kennen. Der Zusammenhalt im Dorf hat von den Aktivitäten der Genossenschaft bereits immens profitiert. Auch die Zweitwohnungsbesitzer und Stammgäste werden integriert. Und natürlich können wir alle wieder feines, eigenes Roggenbrot essen.»