Digitale Nomaden in der Schalterhalle
Im Macherzentrum mitten in Lichtensteig im Toggenburg arbeiten Selbständigerwerbende aus unterschiedlichsten Branchen zusammen. Aber nicht nur. Hier werden auch Ideen geboren und neue Firmen gestartet.
Im Macherzentrum mitten in Lichtensteig im Toggenburg arbeiten Selbständigerwerbende aus unterschiedlichsten Branchen zusammen. Aber nicht nur. Hier werden auch Ideen geboren und neue Firmen gestartet.
«Hast du schon das WC gesehen? Super oder?» Tobias Kobelt ist begeistert vom neuen stillen Örtchen. Er weiss aber auch, dass diese Begeisterung nicht für jeden nachvollziehbar ist. «Ich merke, dass ich immer wieder mit dem WC anfange, wenn ich jemandem das Macherzentrum zeige, dabei ist es für Leute von Extern einfach ein ganz normales WC», schmunzelt er. Für die Nutzer der ersten Stunde des Co-Working-Space ist es allerdings mehr. Als sie die ehemalige Schalterhalle der Post übernahmen, war alles ziemlich alt und heruntergekommen. Und eben ganz besonders das WC.
Als die Post ihre Filiale in Lichtensteig schloss, war es die Gemeinde, die eine neue Nutzung der Räume suchte, die Schaffung eines Co-Working-Space anregte und einen Pilotversuch ermöglichte, indem sie anfangs den Mietzins erliess. Nach rund einem Jahr war klar: Es geht weiter. Das Macherzentrum, wie sich die Genossenschaft nennt, hat sich nach einer zähen Startphase gut entwickelt. Heute nutzen knapp zehn Personen regelmässig einen der 14 Arbeitsplätze, viele weitere greifen sporadisch auf das Angebot zurück oder halten Sitzungen oder Kundenanlässe in den Räumen der ehemaligen Post ab.
Etwa der Software-Entwickler Martin Bürge. Er ist seit vier Jahren selbstständig und arbeitete zuerst von zu Hause aus. «Doch irgendwann merkt man, dass man vereinsamt», sagt er. Die ungezwungenen Gespräche an der Kaffeemaschine fehlten ihm, ebenso die räumliche Trennung von Arbeit und Privatem. Also mietete er sich im Macherzentrum ein. Als Nebeneffekt kann er hier auch auf die gute Infrastruktur zurückgreifen, mit schnellem WLAN, Drucker und zwei voll ausgestatteten Sitzungszimmern. Voll ausgestattet hiess im Macherzentrum schon vor Corona-Zeiten: bereit für Videokonferenzen. Eine solche findet heute gerade statt. Diesmal eine interne. Ein Teil der Kerngruppe bespricht ein neues Buchungssystem, das Martin programmiert hat. Drei Personen sind vor Ort, eine weitere ist per grossem Flachbildschirm zugeschaltet.
Mit dem neuen Buchungssystem wird das Macherzentrum noch etwas digitaler. Neu buchen Interessenten auf der Website ihren Arbeitsplatz und bekommen dann automatisch einen Zugangscode, mit dem sich im gebuchten Zeitraum die Eingangstüre öffnen lässt. Auch die Rechnung wird automatisch ausgelöst. «So können wir viel Administrationsaufwand vermeiden», sagt Tobias. Die Entwicklung des Buchungssystems zeige aber auch einen weiteren Vorteil des Macherzentrums: «Es arbeiten Leute aus den verschiedensten Bereichen zusammen, die sich ansonsten wahrscheinlich nie kennengelernt hätten.» Tobias, der als Selbständiger Firmen bei der Ausarbeitung und Umsetzung von neuen Projekten unterstützt, hat das Networking im Blut. Allen anderen, die sich damit nicht so leichttun, soll das Macherzentrum helfen. Beim täglichen Kontakt während der Arbeit, aber auch mit regelmässigen Veranstaltungen wie dem Machertreff. Da werden Ideen geboren und manchmal sogar neue Firmen gestartet.
Als klar war, dass es nach der Pilotphase weitergeht mit dem Macherzentrum, stand ein einfacher Umbau der Räumlichkeiten an. Heute erinnern nur die ehemaligen Schalter noch daran, dass hier früher eine Postfiliale war. Alles ist hell, in den Farben Weiss, Grau und Hellgrün gehalten und tipptopp eingerichtet. Jeder Arbeitsplatz verfügt über einen höhenverstellbaren Schreibtisch, es gibt verschiedene Nischen und Räume für vertrauliche Gespräche. Und natürlich das topmoderne WC.