Doch nochmals bauen
Ein Feuer zerstörte die Alphütte von Hans Fuhrer. Die Zukunft der Alp stand auf der Kippe.
Ein Feuer zerstörte die Alphütte von Hans Fuhrer. Die Zukunft der Alp stand auf der Kippe.
Eigentlich wollte Hans Fuhrer nie mehr bauen. Eigentlich war er zufrieden mit seiner gepachteten Alphütte. Aber «eigentlich» zählt nicht, wenn ein Feuer alles zerstört und neue Tatsachen schafft.
Heute regnet es nur einmal auf der Alp Hinter Bonder. Dicke Wolken hängen an den Berggipfeln, die alle seit kurzem wieder ein weisses Häubchen tragen. An Hans Fuhrers Bergschuhen kleben schwere Dreckklumpen, und sein spitzer Filzhut wirkt aufgeweicht. Doch darunter herrscht keine Spur von Trübsal. «Ein paar Sonnenstrahlen, und das ist alles wieder schön trocken», sagt Hans mit einem Grinsen. Sowieso: Das Wetter ist ihm egal, solange es nur endlich vorwärts geht. Die Zeit der Unsicherheit hat lange genug gedauert.
Im vergangenen Herbst, kurz nach Ende der Alpzeit, sahen Jäger von der anderen Talseite her Rauch aufsteigen. Es stellte sich heraus, dass die Alphütte in Flammen stand, in der noch vor kurzer Zeit Hans Fuhrer und sein Vieh gelebt hatten. Obschon die Feuerwehr erstaunlich rasch auf der abgelegenen Alp war, konnte sie nichts mehr ausrichten, Hütte und Stall brannten bis auf die Grundmauern nieder. «Zuerst war ich nur froh, dass niemandem etwas passiert ist», erinnert sich Hans. Aber schon bald stellte sich die Frage: «Wie weiter?» Hans kennt die Alp Hinter Bonder, seit er ein kleiner Junge ist. Die Alp ist ein unverzichtbarer Bestandteil seines Bergbauernbetriebs, sie musste also rasch wieder nutzbar gemacht werden. Die Hütte hatte Hans allerdings nur gepachtet. Das Besitzerehepaar wollte sich nicht mit dem Wiederaufbau herumschlagen. Von der Versicherung hätten die beiden einen Teil des Schadens vergütet bekommen, auch wenn sie die Hütte nicht wieder aufgebaut hätten. Doch ihnen lag die Alp genauso am Herzen wie Hans, und sie wollten, dass sie weiterbesteht.
Also boten sie Hans die heruntergebrannte Hütte zum Kauf an. Die Leistungen der Versicherung würden im Gegenzug an Hans übergehen. Der geriet in Zugzwang. Auch wenn es ein sehr faires Angebot war: So viel Geld hatte er nicht. Und ausserdem hatte er sich vor wenigen Jahren, als er das Wohnhaus auf dem Talbetrieb sanierte, geschworen, das sei seine letzte Baustelle gewesen. Er besprach sich lange mit seinem jüngsten Sohn Benjamin, und sie machten ab, dass dieser in ein paar Jahren den Betrieb übernehmen wird.
Mit der Aussicht auf eine gesicherte Zukunft des Betriebs entschloss sich Hans, doch nochmals zu bauen. Doch nochmals Pläne zu zeichnen. Doch nochmals bei der Bank vorzusprechen und zu versuchen, die Finanzierung zusammenzukriegen. Aus eigener Kraft reichte es nicht ganz, aber als die Schweizer Berghilfe ihre Unterstützung zusagte, konnte es losgehen. Seither arbeitet Hans jeden Tag auf der Baustelle, während Benjamin den Hof schmeisst. Ein Teil des Fundaments der neuen Alphütte steht bereits, Hans ist gerade an den Betonierungsarbeiten. Diesmal wirklich zum letzten Mal.