Eine Schule fürs Leben
Alexandra und Nicolas Droux haben aus dem leerstehenden Schulhaus von Pinsec im Val d’Anniviers eine gemütliche Gästeunterkunft gemacht.
Alexandra und Nicolas Droux haben aus dem leerstehenden Schulhaus von Pinsec im Val d’Anniviers eine gemütliche Gästeunterkunft gemacht.
Dort, wo früher fleissig gelernt wurde, wird heute Ferien gemacht. Die Initiative von den Droux' ist im kleinen Weiler höchst willkommen.
Skifahren, Skitouren machen, wandern, klettern, biken – all das kann man von Pinsec aus perfekt», schwärmt Nicolas Droux. Er muss es wissen. Schliesslich waren es genau diese sportlichen Freizeitaktivitäten, die ihn und seine Frau Alexandra ins Val d’Anniviers gelockt haben. Die beiden jungen Städter aus La Chaux-de-Fonds verliebten sich in den Ferien in das wilde Tal und seine eindrückliche Natur. Sie kauften sich im Weiler Pinsec auf der linken Talseite einen leerstehenden Speicher und fingen an, ihn zum Ferienhäuschen umzubauen. Jede freie Minute verbrachten sie nun hier. Dabei wuchsen ihnen Pinsec und seine Einwohner so sehr ans Herz, dass der Wunsch immer grösser wurde, nicht nur die Ferien hier zu verbringen, sondern ganz an diesem wunderbaren Ort zu leben. Doch wovon sollten sie leben? Arbeitsplätze sind dünn gesät im Tal, vor allem für zwei ausgebildete Chemiker. Also entschlossen sie sich, etwas ganz Neues zu wagen: Sie würden in den Tourismus einsteigen. «Wir sind so begeistert von diesem Ort. Diese Begeisterung muss sich doch auf andere übertragen lassen», sagt Alexandra. Die beiden kauften der Gemeinde das seit Jahren leerstehende ehemalige Schulhaus ab, um es in eine ganz besondere Gästeunterkunft zu verwandeln. In Pinsec kamen die Pläne gut an. Der Weiler kämpft gegen die Abwanderung, und die Einwohner sind um jede Initiative froh, die Leben bringt.
Gut zwei Jahre später wohnen die Droux’ in ihrem ehemaligen Ferienhaus. Sie sind inzwischen zu viert, Töchterchen Marion ist zwei, Bébé Emilie gut ein halbes Jahr alt. Nicolas hat seinen Job vor einem knappen Jahr gekündigt und sich ausschliesslich um den Umbau des Schulhauses gekümmert. Jetzt sind die gröbsten Arbeiten erledigt, die ersten Gäste haben im August in einem der drei Zimmer übernachtet und waren begeistert. «Wir sind auch extrem zufrieden mit dem Ergebnis», sagt Alexandra. Vor allem hat es praktisch keine Pannen gegeben, obschon weder Nicolas noch Alexandra je einen handwerklichen Beruf gelernt haben. «Alle Fehler haben wir schon beim Umbau unseres Wohnhauses gemacht», lacht Nicolas.
Es gibt in der Ecole de Pinsec drei Zimmer, zwei davon sind für Familien oder kleine Gruppen geeignet. Wie im ganzen Haus schafft in den Zimmern das Nebeneinander von Alt und Modern eine besondere Stimmung. Der Flachbild-Fernseher steht neben einem aus unbehandelten Holzplanken gezimmerten Bett. «Die Einrichtung der Zimmer hat uns Kopfschmerzen bereitet», sagt Alexandra. «Unsere ganzen Ersparnisse haben wir in den Kauf der Schule und die Umbauarbeiten gesteckt. Für die Einrichtung blieb nichts mehr übrig.» Es wäre aber doch sehr schade gewesen, irgendwelche zusammengesammelten Occasionsmöbel in die schönen Zimmer zu stellen, sagt sie. «Uns ist deshalb ein grosser Stein vom Herzen gefallen, als die Schweizer Berghilfe unser Unterstützungsgesuch bewilligt hat.»
Aus dem ehemaligen Klassenzimmer ist ein gemütlicher Aufenthaltsraum mit grandioser Aussicht auf das Bergpanorama geworden. Hier sollen die Gäste untereinander in Kontakt kommen, beim inbegriffenen Frühstück oder auch beim Nachtessen, das Alexandra bei Bedarf in der modernen offenen Küche zubereitet. Dabei können die Gäste ihr jederzeit über die Schulter schauen. «Wir haben extra alles so offen gestaltet, um die Gelegenheit für spannende Gespräche zu schaffen.» Denn das Persönliche soll es sein, das die «Ecole de Pinsec» von anderen Gästeunterkünften abhebt. Vollständig in Betrieb sein wird die Unterkunft ab Anfang des kommenden Jahres. Alexandra arbeitet bis Ende Jahr noch Teilzeit bei ihrem alten Arbeitgeber in Neuchâtel. Sie bleibt jeweils gleich für ein paar Tage dort, nimmt Emilie mit und übernachtet bei ihren Eltern. Doch ab Januar kümmert sie sich tagsüber ganz um den Betrieb der «Ecole de Pinsec». Nicolas wird sich dann wieder eine Stelle suchen. Denn: «Auch wenn alles so läuft, wie wir uns das erhoffen – ein Einkommen für die ganze Familie wird uns das Gästehaus nicht einbringen.» Auch nicht nach dem nächsten Ausbauschritt, der schon geplant ist: In einem kleinen Speicher nahe der Schule, in dem Nicolas eine kleine Fernwärmeanlage für die Gästeunterkunft untergebracht hat, soll ein weiteres Zimmer für kleine Gruppen entstehen. Langweilig wird es der jungen Familie also so schnell nicht.