Entlastung für Esel und Älpler

Dank einer neuen Transportseilbahn auf der Alpe Cedullo müssen die Älpler nicht mehr mit den Eseln ins Tal, um Lebensmittel zu transportieren.

Jeden Mittwoch satteln die Älpler Sylvia Wyss und Maurizio Minoletti ihre Eselin Carmela und führen feine Alp- und Frischkäse ins Tal. Auf dem Rückweg trägt Carmela frische Lebensmittel und Getränke hoch. Dabei geht jedes Mal ein ganzer Arbeitstag verloren. Dank einer neuen Transportseilbahn soll alles schneller und einfacher werden. Die beiden Älper gewinnen dadurch wichtige Zeit: Sie können sich den Gästen gebührend widmen und haben mehr Zeit für ihre Tiere.

Geduldig steht Carmela vor der steinernen Hütte auf der Alpe Cedullo, hoch über San Nazzaro am Lago Maggiore. Ohne zu murren lässt sich die Eseldame den Säumersattel aufsetzen. Und auch als die Älpler Sylvia Wyss und Maurizio Minoletti die schweren Kühlboxen aufladen, wackelt sie nur kurz mit einem der langen Ohren. Die Esel auf Cedullo sind es gewohnt, schwere Lasten zu tragen. Die Kühlboxen auf Carmelas Rücken sind voll mit Alpkäse, Formagella und den feinen weichen Frischkäslein «Büscion», die Käserin Kathrine Quaini in der vergangenen Woche aus der Milch von 150 Geissen und neun Kühen hergestellt hat. Obendrauf werden noch einige grosse Abfallsäcke festgebunden. Dann kann es losgehen. Langsam, und ohne auf dem glitschigen und mit altem Laub bedeckten Boden je auszurutschen, trägt die Eselin, von Maurizio am Zügel geführt, die schwere Last anderthalb Stunden talwärts nach Monti di Gerra. Dort gibt es nach dem Abladen nur eine kurze Rast für Carmela, denn es wartet bereits eine Bekannte von Sylvia und Maurizio mit dem Auto. Sie hat frische Lebensmittel und Getränke dabei, die nun auf den Eselsrücken geladen werden. Während Maurizio und Carmela sich wieder an den steilen Aufstieg machen, fährt das Auto die kurvige Strasse hinunter an den Lago Maggiore und weiter zu einigen Spezialitätengeschäften in der Umgebung, um den Käse abzuliefern.

Jeden Mittwoch wird gesäumt auf der Alpe Cedullo. Mit Ein- und Auspacken, Bereitmachen der Esel und der tatsächlichen Wanderzeit geht dabei jedes Mal ein ganzer Arbeitstag verloren. Zeit, die Sylvia und Maurizio gut anderweitig gebrauchen könnten. Auf ihrer Alp sorgen sie nämlich nicht nur für ihre Tiere – nebst den Eseln, Ziegen und Kühen wohnen den Sommer über auch noch Schafe, Schweine, Kaninchen, Hühner, Hunde und Katzen hier oben –, sondern auch für die Wanderer, die gerne auf der gemütlichen Terrasse mit der grandiosen Aussicht auf den See Pause machen. Auch im Massenlager übernachten regelmässig Gäste. «Wir wussten von Anfang an, dass eine einfache Transportseilbahn die Lösung unserer Probleme wäre», sagt Sylvia.

Das Projekt in Kürze

  • Älpler
  • Transportseilbahn
  • Indemini/TI

Nach acht Jahren Wartezeit werden sie diesen Herbst nun endlich eine bekommen. Die nötigen Arbeiten im Wald sind bereits erledigt, die Fundamente für die Masten sind betoniert. Dass es so lange ging, liegt am fehlenden Geld. Die Besitzerin der Alp, das Patriziato di San Nazzaro, hat wie die meisten kleinen Bürgergemeinden im Tessin kaum Einkünfte und noch weniger Vermögen. Ausserdem standen auf Cedullo in den vergangenen Jahren dringendere Investitionen an: Blitzschutz-Anlage, Erneuerung der Solaranlage, neuer Boden für die Käserei… Die Liste ist lang. «Jedes Mal, wenn ich hier oben bin, würde ich mir am liebsten Scheuklappen montieren», sagt deshalb Dario Antognini, Präsident des Patriziato. «Überall sehe ich Dinge, die repariert oder erneuert werden sollten.» Dennoch wird die Transportseilbahn nun endlich Wirklichkeit. «Dank der Schweizer Berg-hilfe müssen Sylvia und Maurizio nicht nochmals acht Jahre unter diesen schwierigen Bedingungen arbeiten», sagt Dario. «Mit der Transportseilbahn ist sicher- gestellt, dass die Alpe Cedullo noch viele Jahre bewirtschaftet werden kann.»

Die Alpe Cedullo liegt an einer der schönsten Wanderrouten im Tessin. Die Tour startet auf der Passhöhe Alpe di Neggia (erreichbar per Privatauto oder Postauto), und führt von dort aus in ungefähr drei Stunden weit über dem Lago Maggiore bis in das malerische Bergdörfchen Indemini, wo sich wiederum eine Postautohaltestelle befindet. Die Alpe Cedullo liegt direkt am Weg, ungefähr auf zwei Dritteln der Wegstrecke.

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im August 2013
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.