«Es ist immer jemand in der Nähe»
Aufwachsen in den Bergen, mit neun Geschwistern – wie ist das? Zu Besuch bei Bergbauernfamilie Buchs.
Aufwachsen in den Bergen, mit neun Geschwistern – wie ist das? Zu Besuch bei Bergbauernfamilie Buchs.
Reden kann die kleine Carina noch nicht wirklich. «Muuh» sagt sie, wenn sie Kühe sieht, und ihre grössere Schwester Ivana nennt sie «Ivi». Aber jodeln, das kann Carina schon fast wie eine Grosse. Wenn ihre älteste Schwester Ramona sie auf den Schoss nimmt und mit ihr das Lied «Gloggejodel» anstimmt, dann singt die Zweijährige begeistert mit. Das Musizieren liegt bei der Bergbauernfamile Buchs aus Im Fang im Kanton Freiburg im Blut. Vater Patrick hat früher gejodelt, und alle Kinder sind oder waren im Jodelchor. Eigentlich hätte Familie Buchs ja einen eigenen Chor gründen können. An der Anzahl der Sängerinnen und Sänger hätte es nicht gemangelt. Zehn Kinder haben Patrick und Monika. Fünf Buben und fünf Mädchen, vom 19-jährigen Samuel bis zum halbjährigen Lukas.
Aussergewöhnlich findet das niemand in der Familie. «Ganz in der Nähe hat es eine Familie mit zwölf Kindern, im Dorf oben eine mit acht», sagt Monika. «Ich selbst bin auch mit zehn Geschwistern aufgewachsen. Das ist hier nicht so speziell.» Für Monika und Patrick war immer klar, dass sie viele Kinder haben wollten. Wie viele genau, war nicht so wichtig. «Ich brauche das Leben um mich herum. Es ist spannend, wie jedes unserer Kinder seine ganz eigene Persönlichkeit hat. Und es ist schön, zu sehen, wie sie sich alle auf ihre eigene Weise entwickeln.»
Die Kinder selbst reagieren auf Fragen nach ihren vielen Geschwistern verwundert. Sie haben sich noch nie gross Gedanken darüber gemacht, dass ihre Familie wohl nicht ganz dem Durchschnitt entspricht. Der 14-jährige Stefan, sonst kein Freund von langen Reden, bringt es auf den Punkt: «Manchmal nervt eines der Geschwister, aber eigentlich ist es schön, immer jemanden in der Nähe zu haben, den man gern hat.»
Die Kinder haben alle ihre eigenen Freunde und Hobbies: Magaly (11) und Ivana (12) spielen Gitarre, Chistelle (9) und Yanick (7) spielen fürs Leben gerne Lego. Ivana ist im Skiclub und will mal Skirennfahrerin werden. Aber am häufigsten sind sie doch mit ihrer Familie zusammen. Das liegt nur schon daran, dass es im Alltag der Familie Buchs sehr viel zu tun gibt. Und alle packen mit an. Unser Besuch bei Buchs’ fand an einem Sonntag statt, weil sonst nie alle zusammen daheim sind. «Am Sonntag machen wir nur die Arbeiten, die unbedingt nötig sind», sagt Patrick. Das heisst: Er steht um 4 Uhr auf, fährt zur Alp seiner Eltern, um die Kühe zu melken, die im Moment dort untergebracht sind, danach auf die selbst gepachtete Alp Gerstara. Dort melkt er die Geissen. Um 6.30 Uhr kommt Samuel ebenfalls auf die Gerstera, um den Stall zu machen, während Patrick mit den Milchkannen im Auto nach Hause fährt und dort die Geissenmilch in der kleinen Hofkäserei abliefert, wo Monika bereits am Käsen ist. Patrick fährt mit der Kuhmilch direkt nach Charmey weiter, wo er sie in der Käserei abliefert. Etwa um 8 Uhr ist er wieder daheim.
Nach und nach sind inzwischen auch die jüngeren Kinder aufgestanden und trudeln am Zmorgentisch ein. Patrick ist schon wieder aufgestanden, um in der Käserei weiterzuarbeiten, als Monika einfällt, dass Ivana und Magaly ja schon bald an der Sonntagsmesse Gitarre spielen sollten. Rasch wird der Transport organisiert. Patrick macht sich unterdessen mit Stefan und der kleinen Carina auf den Weg zum nahegelegenen Stall. Dort sind noch zwei Kälber untergebracht, die versorgt werden müssen. Als sie zurückkommen, ist Emmanuel, der Zweitälteste eingetroffen. Er macht die Bauernlehre, in Rossens im französischsprachigen Teil des Kantons. Er muss heute arbeiten, kommt aber zum Fototermin mit der ganzen Familie extra kurz nach Hause. Und wenn er schon hier ist, dann geht er auch gleich mit, als Patrick, Stefan und Carina auf die zweite, noch höher gelegene Alp fahren, um nach den dort weidenden Schafen zu sehen.
Als es um 12.30 Uhr endlich Zmittag gibt, haben die Mitglieder der Familie Buchs schon mehr gearbeitet, als es andere an einem ganzen Werktag tun. Aber das ist für sie Alltag, und niemand stört sich daran. Auch Emmanuel nicht. Der 17-Jährige macht keinen Unterschied zwischen Freizeit und Arbeit. «Wenn ich frei habe, dann helfe ich hier auf dem Hof mit», sagt er. «Ausgang brauche ich nicht, und in der Stube rumhocken liegt mir auch nicht so. Es gibt doch nichts schöneres, als hier in dieser wunderschönen Bergwelt draussen sein zu können.» Er will unbedingt hier im Tal bleiben. Da, wo er aufgewachsen und zuhause ist. Bei Fribourg, wo er im Moment in der Lehre ist, ist es ihm schon zu flach. «Kürzlich ist alles Vieh auf die Alp gezogen. Ich war richtig neidisch auf die Kühe. Die dürfen hoch in die Berge, und ich muss unten bleiben.»