Fantastique sans plastique

Die beste Energie ist diejenige, die man nicht verbraucht. Darum geht im Dorfladen La Marchande im Jura die Ware ohne Verpackung über den Tresen.

Wie schön doch Lebensmittel sein können, wenn sie nicht in Plastik, Metall und Karton versteckt werden. In hohen, durchsichtigen Behältern reihen sich verschiedene Sorten Pasta an Linsen, Erbsen, Müesli, Trockenfrüchte, Tees, Kaffee und Gewürze. Aus grossen Kartonfässern kann man Salz oder Mehl schöpfen, der Honig fliesst direkt aus einem grossen Chromstahlbehälter. Im Unverpackt-Laden «La Marchande» mitten in Saignelégier in den Freibergen gibt es aber nicht nur trockene Grundnahrungsmittel. Eine grosse Käsetheke gehört ebenso dazu wie ein Regal mit saisonalem Obst und Gemüse, ein Kühlschrank mit Molkereiprodukten, Backwaren und Bier von kleinen Brauereien aus der Region. Aber auch viele Körperpflegeprodukte, Waschmittel und sogar selbstgenähte und -gestrickte Kleider kann man hier kaufen. Über 400 Produkte sind es insgesamt. «Ich selbst kaufe eigentlich nur noch WC-Papier beim Grossverteiler», sagt Mitgründerin Anne-Françoise Chappuis. «Alles andere finde ich hier bei uns.»

Angefangen hat alles vor vier Jahren. Mit Anne Françoise Chappuis – Lehrerin und langjährige reiwillige Mitarbeiterin in Weltläden – und der pensionierten Kulturmanagerin Claudine Donzé. Die beiden diskutierten darüber, was man dem Lädelisterben in der Region entgegensetzen und gleichzeitig für einen nachhaltigeren Lebensstil tun könnte. Der Idee eines Unverpackt-Ladens mit regionalen und saisonalen Produkten folgte die Gründung einer Genossenschaft und im Frühling 2017 dann die Eröffnung von «La Marchande».

Das Projekt in Kürze

  • Unverpackt-Laden
  • Anschaffung Wäge- und Kassensystem
  • Saignelégier/JU

Auch für Normalverdiener

Inzwischen läuft es sehr gut. Ein Teil des Erfolgsrezepts: «Wir sind nicht teurer als ein normaler Laden», so Claudine Donzé. «Es war uns von Anfang an wichtig, keine Edelboutique zu sein, sondern ein Geschäft für alle Einwohner.» Und tatsächlich: Zu den Stammkundinnen zählen erstaunlich viele Eltern mit kleinen Kindern, die den grössten Teil ihrer Einkäufe hier tätigen. Sie bringen ihre eigenen Behältnisse mit, wägen diese und füllen die Waren dann selbst ab.

Wer so einkauft, spart pro Woche kiloweise Abfall. «Wir haben Kundinnen, die fast gar keinen Abfall mehr produzieren», sagt Claudine Donzé. Sie selbst ist der Vision des «Zero Waste» – also Null Abfall – auch schon recht nahegekommen. Sie verhehlt allerdings auch nicht, dass man seine alten Gewohnheiten überdenken und auf Sachen verzichten muss, um so nachhaltig zu leben. «Gegen Ende des Winters kann ich Kohl nicht mehr sehen», lacht sie. Dafür schmecken die ersten Erdbeeren aus der Region dann umso besser.

lamarchande.ch

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im Februar 2020
 Ein Kunde füllt selbst Oel ab
Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.