Feines von Kleinguraletsch
Familie Tanner verbringt den Sommer jeweils mit Kind und Kegel auf der abgelegenen Geissenalp Kleinguraletsch.
Familie Tanner verbringt den Sommer jeweils mit Kind und Kegel auf der abgelegenen Geissenalp Kleinguraletsch.
Jeden Sommer verlagert sich der Lebensmittelpunkt der Familie Tanner um ein paar hundert Höhenmeter nach oben – auf die nur mit einem halbstündigen Fussmarsch erreichbare Alp Kleinguraletsch, zuhinterst im Valsertal. Die Alp ist klein, aber fein. Das gilt auch für den Ziegenkäse: Zwar produziert Felix pro Saison nur etwa 250 Kilo davon, dafür hat der Käse schon mehrere Auszeichnungen gewonnen.
Eifrig drücken Ninas kleine Hände die frische Käsemasse in die Plastikform. Die Dreijährige weiss genau, dass sie die Form stetig drehen muss und nicht immer am gleichen Ort drücken darf. Schliesslich hat sie ihrem Vater oft genug beim Käsen über die Schulter geschaut. «Es freut mich riesig, dass sie so viel Interesse zeigt und mir helfen will», sagt Felix Tanner. «Sie hat schon viel gelernt und weiss auch genau, dass sie hier in der Käserei nichts anfassen darf, ohne vorher gründlich die Hände gewaschen zu haben.»
Was Felix Tanner in dem kleinen und spartanisch eingerichteten Hüttchen produziert, kann sich sehen lassen. Zwar wird nur jeden zweiten Tag gekäst, und aus den knapp 80 Litern Milch, welche die 20 Geissen geben, entstehen pro Durchgang weniger als acht Kilo Käse. Doch die Qualität ist hervorragend. Bei der jährlichen Käseprämierung an der Olma hat der Käse von der Alp Kleinguraletsch in seiner Kategorie bereits einen ersten und zwei zweite Preise gewonnen. Und an der Schweizerischen Käsemeisterschaft «Swiss Cheese Awards» vom vergangenen Jahr hat es für die Silbermedaille gereicht.
Felix Tanner ist stolz auf seinen Käse. Aber genau so stolz sind er und seine Frau Andrea auf den Rest der Alp. Darauf, dass alles sauber ist. Darauf, dass die Weiden jedes Jahr besser werden. Und darauf, dass die Tiere nach der Alpzeit gesünder sind als zuvor. Nebst den 20 Ziegen und ihrem Bock haben dieses Jahr 48 Schafe, 20 Islandpferde, 45 Rinder, Mutterkühe und Kälber, sowie vier Hühner, drei Wollschweine und eine Katze den Sommer auf der 2000 Meter hoch gelegenen Alp verbracht.
Seinen ersten Alpsommer erlebte Felix Tanner bereits 1998 auf Alp Kleinguraletsch. Damals arbeitete er in Vals als Primarlehrer und wollte während der Sommerpause etwas Neues erleben. Dabei hat ihn das Älplerfieber augenblicklich gepackt. Seither hat er keinen Sommer mehr anderswo verbracht als auf dieser Alp. «Die Natur ist so schön hier oben, und man ist sein eigener Herr» Die ersten Jahre war er als Hirte angestellt, 2006 fing er an zu Käsen, und 2011 übernahm er er die Pacht auf der Alp.
Seit Nina und ihre kleine Schwester Julia auf der Welt sind, wohnen sie den Sommer über bei ihrem Vater auf der Alp. «Ich geniesse es sehr, so intensiv mit meinen Kindern zusammen zu sein», sagt Felix Tanner. Mutter Andrea, die im Tal unten als Kindergärtnerin arbeitet, verbringt jeweils die Sommerferien, Mittwochnachmittage und Wochenenden bei ihrer Familie. Wenn sie nicht auf der Alp ist, erhält Felix Tanner sehr oft Unterstützung von Freunden und Familienmitgliedern. Auch im Winter ist Andrea diejenige, die auswärts arbeitet. Felix ist dann Hausmann und Vater, übernimmt ab und zu eine Vertretung im Schulhaus oder baut Trockenmauern.
Seine handwerklichen Fähigkeiten sind ihm auf der Alp schon oft zu Gute gekommen. Aus eigener Initiative und mit Hilfe seines Vaters und Freunden hat er bereits den Innenausbau des Ziegenstalls ersetzt, diverse Mauern repariert und die Käserei eingerichtet. Doch bei der Sanierung der Küchenhütte war er auf Unterstützung angewiesen. «Alles war kalt, feucht und faulig. Weil alles etwas eklig war, haben wir immer in der Schlafhütte gegessen und in der Küche wirklich nur noch gekocht», erinnert sich Andrea. Ein Zustand, der mit den Kindern nicht so weitergehen konnte. Die Besitzerin der Alp, eine Alpgenossenschaft, hatte aber nicht genügend Geld für die dringend nötige Sanierung. Erst als die Schweizer Berghilfe sich bereit erklärte, die Genossenschaft zu unterstützen, konnte der Bau beginnen. «Uns fiel ein Stein vom Herzen, als wir davon erfuhren», sagt Felix Tanner. «Wir hätten sonst aufhören müssen» Inzwischen ist die Küche alles andere als luxuriös, aber sehr gemütlich geworden. Ein isoliertes Dach, ein Holzboden, ein zusätzliches Fenster und ein Holzofen haben Wunder gewirkt und die Hütte zum neuen Lieblings-Aufenthaltsort der Familie werden lassen. Besonders in diesem verregneten Sommer ist die Familie oft sehr froh gewesen um den trockenen und warmen Raum.