Immer in Bewegung

Das Thema Bewegung zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Véronique Lugrin. In Lausanne hat die 39-Jährige ein Zentrum für Gesundheit und Bewegung aufgebaut. Jetzt expandiert sie in ihre Heimat, das Vallée de Joux. Nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern weil dort ein entsprechendes Angebot bisher fehlt.

Véronique Lugrin hat es geschafft. Sie hat sich ihre eigene, gut laufende Firma «Enmouvement» aufgebaut und sich im Bereich Bewegung und Gesundheit einen Namen gemacht. Sie trainiert Olympia-Sportler, hat für das bekannte «Béjart Ballet» in Lausanne ein Präventionsund Aufbauprogramm lanciert, beschäftigt rund 20 Physiotherapeutinnen, Osteopathen, Yogainstruktorinnen, Ernährungsberater und Masseure. Sie könnte sich zurücklehnen und eine ruhige Kugel schieben. Stattdessen setzt sie nochmals alles auf eine Karte, investiert ihre gesamten Ersparnisse und arbeitet fast rund um die Uhr, um ins abgelegene Vallée de Joux zu expandieren.

Wieso tut sie das? Nicht zuletzt aus Liebe und Verbundenheit zum schönen Tal im Waadtländer Jura. Véronique ist hier aufgewachsen, zog aber für die Ausbildung zur Physiotherapeutin und das anschliessende Studium in Bewegungswissenschaften nach Genf und später nach Lausanne, wo sie viele Jahre lebte. Doch sie blieb dem Vallée de Joux immer verbunden. Es war für sie auch immer klar, dass sie eines Tages hierhin zurückkehren würde. Es brauchte einiges an Überzeugungsarbeit bei ihrem Lebenspartner, der lieber inder Stadt geblieben wäre, aber seit einem Jahr wohnen die beiden im Tal. Seither pendelt Véronique mit dem Zug nach Lausanne, lange anderthalb Stunden pro Weg.

Das ist aber nicht der Grund, warum sie im Tal arbeiten will. «Ich kann im Zug gut die Büroarbeit erledigen, das stört mich nicht», sagt sie. Was sie vielmehr stört, ist die Tatsache, dass es im ganzen Vallée de Joux ein Spital mit fünf komplett überlasteten Physios sowie zwei private Praxen gibt – und sonst nichts. Es fehlt gemäss Véronique an einem Gesundheitsangebot, das speziell auf Bewegung und Sport ausgerichtet ist. «Ich habe aktuell mehrere Patientinnen aus dem Tal, die extra fürs Training zu mir nach Lausanne fahren», erzählt sie. «Das ergibt doch keinen Sinn.»

Das Projekt in Kürze

  • Gesundheitszentrum
  • Neue Filiale
  • L'Orient/VD

Schwitzen mit Holz und Wasser

In den meisten Fitnesscenter und Physio-Praxen stehen Maschinen für das Krafttraining. So auch bei «Enmouvement» im Vallée de Joux. Hier bestehen sie allerdings nicht wie üblich aus Stahl, Plastik und grossen, blinkenden Bildschirmen, sondern aus Holz. Der Widerstand, den man mit Körperkraft überwinden muss, entsteht durch in Bewegung gebrachtes Wasser. «Natürliche Materialien sind mir wichtig. Und auch, dass beim Trainieren nicht unnötigerweise Strom verbraucht wird», sagt Véronique Lugrin. Lange hat sie gesucht, bis sie bei einem deutschen Nischenhersteller fündig wurde. Aber es hat sich gelohnt: «Die Feedbacks der Kundschaft sind durchgehend positiv.»

Zurück auf Feld eins

Auf einem Stück Land, das ihrer Familie gehört, stand ein altes Gebäude mit Garagen und Lagerräumen. Véronique erarbeitete Pläne, dieses umzubauen und darin Praxis- und Trainingsräumlichkeiten zu erstellen. Bei der Gemeinde rannte sie offene Türen ein – auch dort war bekannt, dass ein entsprechendes Angebot fehlt. Das Projekt schien auf gutem Weg zu sein und die Pläne waren auf Gemeindeebene alle bewilligt – bis der Kanton sein Veto einlegte. Das Verdikt: Die Garagen müssen Garagen bleiben und dürfen nicht umgenutzt werden. Für Véronique hiess das: zurück auf Feld eins. Um trotzdem genügend Platz zu erhalten, wurde ein zusätzlicher Anbau nötig. Die Neuplanung brauchte Zeit und vor allem viel Geld. «Plötzlich war die ganze, sorgfältig austarierte Finanzierung in Frage gestellt», erinnert sie sich. Ein Bekannter riet ihr, es einmal bei der Schweizer Berghilfe zu versuchen. Einen Monat später kam bereits die Unterstützungszusage. «Mir fiel ein riesengrosser Stein vom Herzen», sagt Véronique.

Inzwischen ist der Bau schon weit fortgeschritten. Véroniques Partner Léonard leitet die Arbeiten, und auch sie selbst hält sich einen Tag pro Woche dafür frei, selbst auf der Baustelle mitanzupacken. Dies nebst den vielen Einsätzen am Feierabend und an den Wochenenden. Es ist ihr wichtig, möglichst ökologisch zu bauen und wenn immer möglich gebrauchte Materialien wiederzuverwenden. Das Tüpfchen auf dem i wird eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. «Es ist unglaublich schön, mitzuerleben, wie hier langsam die Trainings- und Behandlungsräume entstehen», sagt Véronique. «Ich freue mich riesig darauf, dass hier schon bald nicht mehr ich beim Malen schwitze, sondern meine Patientinnen und Patienten bei ihren Trainings.»

enmouvement.ch

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im August 2024

Die Unterstützung

Ursprünglich hätte Véronique Lugrin den Bau ihres neuen Bewegungs- und Gesundheitszentrums im Vallée de Joux aus eigener Kraft finanzieren können. Doch nach neuen Auflagen des Kantons musste sie mit der Planung wieder auf Feld eins anfangen und alles wurde viel teurer. Da sprang die Schweizer Berghilfe mit finanzieller Unterstützung ein.

Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.