Käser per Zufall
Michele Galli produziert in seiner kleinen Hofkäserei Käse nach Tessiner Art.
Michele Galli produziert in seiner kleinen Hofkäserei Käse nach Tessiner Art.
Vom eigenen Bergbauernbetrieb leben. Auf dieses Ziel hat Michele Galli hingearbeitet, seit er ein Kind war. Jetzt ist er nicht nur Bergbauer, sondern auch Käser.
Halbharter Formaggio, weiche Formagella, frischer Büscion. Der Käsekeller von Michele Galli ist gefüllt mit köstlichen Spezialitäten. Je nach Jahreszeit bestehen diese aus Kuhmilch oder einer Mischung aus Kuh- und Ziegenmilch. Die Käse sind weitherum bekannt. In den Läden im Capriasca-Tal oberhalb von Lugano finden sie reissenden Absatz, und im Sommer machen Touristen Micheles Stall zum Ausflugsziel, um gleich vor Ort einkaufen zu können. Er könnte mehr verkaufen, als er produziert. «Im vergangenen Sommer ist mir einmal sogar der Käse komplett ausgegangen», erzählt der 36-Jährige.
Dieser Erfolg ist umso erstaunlicher, als Michele bis vor knapp zwei Jahren nie auch nur einen Fuss in eine Käserei gesetzt hat. «Ich hatte keine Ahnung, wie man käst. Und jetzt sagen sogar alle, mein Käse sei einer der besten. Ich kann es manchmal selbst kaum glauben.» Michele ist gelernter Maurer. Er hat auch viele Jahre auf dem Beruf gearbeitet. Seine wahre Leidenschaft galt aber schon seit seiner Kindheit dem Ziegenstall, den sein Vater gebaut hatte. «Für mich war immer klar, dass ich irgendwann einmal ausschliesslich Bergbauer sein werde», sagt Michele. Darauf hat er jahrelang gespart. Als er den Betrieb vom Vater übernommen hatte, schmiedete er Pläne für einen Stallausbau, rechnete Kosten durch, verwarf die Pläne wieder. Ein Ausbau wäre deutlich teurer geworden als erhofft. Doch dann kam ihm der Zufall zu Hilfe.
Weit oben im Tal, oberhalb des Dörfchens Bidogno auf 900 Meter über Meer, gingen Bergbauern in Pension und hatten keinen Nachfolger. Sie boten Michele an, den Stall samt Käserei zu kaufen. Zu einem Preis, der niedriger war als die offerierten Kosten für den Ausbau des elterlichen Stalls in Tesserete. Doch Micheles Ersparnisse und die Hypothek der Bank reichten nicht ganz aus. Die einmalige Chance verstreichen zu lassen, kam für Michele aber nicht infrage. Er würde diesen Stall übernehmen, auch wenn er sich dafür bei der Bank und bei Familie und Freunden bis über beide Ohren verschulden müsste. So weit musste er dann zum Glück nicht gehen, weil ihn die Schweizer Berghilfe unterstützte. «Ich bin wahnsinnig froh über diese Hilfe. Jetzt kann ich unbeschwert loslegen und meine Zukunft anpacken.»
Und anpacken tut er. Anfangs machte er die ganze Arbeit allein. «Er ist morgens noch halb in der Nacht gegangen, und erst spätabends wieder zurückgekommen», erzählt seine Verlobte Aura Furlani. «Und dann war er so kaputt, dass er kurz etwas gegessen hat und danach wie tot ins Bett gefallen ist.» Inzwischen konnte Michele einen Gehilfen anstellen, und die Arbeitsbelastung ist auf ein erträgliches Mass zurückgegangen. Er arbeitet immer noch sehr viel und hart, aber es würde ihm nie in den Sinn kommen, sich zu beklagen. «Ich kann jetzt endlich das machen, was ich immer wollte. Ich weiss: Ich werde hier in diesem Stall arbeiten, solange ich lebe.»