Mit einem Rutsch ist alles infrage gestellt
Der neue Stall war schon im Bau, als der Hang rutschte. Die Berghilfe übernahm die Mehrkosten.
Der neue Stall war schon im Bau, als der Hang rutschte. Die Berghilfe übernahm die Mehrkosten.
Die Zukunft sah gut aus für Bernhard Wisler und Petra Tröhler: Endlich hatten sie genug Geld zusammengespart, um den alten, zu kleinen Stall durch einen grösseren Neubau zu ersetzen. Die Bagger waren schon aufgefahren, die Baugrube ausgehoben. Und dann kam der Hang.
Es ist steil hier im Schlangenwinkel, einem Weiler zwischen Signau und Oberthal im Emmental. Zum Hof von Bernhard Wisler und Petra Tröhler führt nur eine abschüssige und schmale Kiesstrasse, kürzlich für die Bauarbeiten verbreitert und verstärkt, aber bei Regenwetter immer noch nur mit Allradantrieb zu befahren. Direkt ans alte Wohnhaus angebaut steht der neue Stall für 27 Milchkühe. Man sieht es ihm nicht an, aber seine Entstehungsgeschichte hatte es in sich. Dabei fing alles so gut an. Bernhard Wisler übernahm vor vier Jahren den Betrieb seiner Eltern, nachdem er ihn zehn Jahre lang gemeinsam mit ihnen als Generationengemeinschaft bewirtschaftet hatte. Als sein Vater noch voll im Betrieb arbeitete, konnte Bernhard nebenbei zu 100 Prozent auswärts arbeiten gehen, als Maurer und im Wald. So konnte er sich genügend Kapital zusammensparen, um kurz nach der Übernahme des Betriebs gemeinsam mit seiner Partnerin Petra das dringlichste Erneuerungsprojekt anzugehen: den Stall. Der alte war eng, dunkel und entsprach nicht mehr den Tierschutzvorschriften. Der neue sollte heller, einfacher zu bewirtschaften und vor allem grösser werden. Pläne wurden gezeichnet, Alternativen abgewogen, Kosten durchgerechnet. Weil auch die Bank mitspielte und eine Hypothek gewährte, konnten schon bald die Bagger vorfahren. Die Baugrube für das neue Güllenloch war schon fast fertig, als der von starkem Regen aufgeweichte Hang oberhalb des geplanten Stalls ins Rutschen kam und die Baugrube gleich wieder auffüllte.
Die Erleichterung, dass niemandem etwas passiert war, wich bald der bangen Frage, wie es nun weitergehen sollte. Die Bauarbeiten wurden sofort gestoppt, weitermachen wie geplant war unmöglich. «Die Gefahr war zu gross, dass der Hang beim Betonieren nochmals gekommen wäre. Dann wäre der Schaden immens gewesen», sagt Bernhard. Auch das Risiko für die Bauarbeiter hätte er nicht verantworten können. Die Lösung bestand darin, die Güllengrube ein paar Meter vom Hang weg zu verlegen. Somit war die Böschung zur Baugrube nicht mehr so steil und der Hang hielt. Der Stall selbst konnte danach gefahrlos am ursprünglich geplanten Ort gebaut werden. Doch diese kurzfristige Planänderung kostete nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld. Geld, das Wislers nicht hatten. Schliesslich steckte ihr gesamtes Erspartes im Stallneubau. Die Situation schien ausweglos. «Für kurze Zeit wusste ich wirklich nicht, wie es weitergehen soll», sagt Bernhard. Sein Traum des modernen Stalls, auf den er jahrelang hingearbeitet hatte, drohte zu platzen. Ein landwirtschaftlicher Berater brachte ihn auf die Idee, bei der Schweizer Berghilfe um Unterstützung nachzufragen. «Ich hatte wenig Hoffnungen, denn schliesslich liegt unser Betrieb ja nur auf 900 Metern», sagt er. Doch wegen der Steilheit und der Abgeschiedenheit gehört Wislers Hof trotz geringer Höhenlage zur Bergzone. Für Heinz Aebersold, ehrenamtlicher Experte bei der Berghilfe, war die unverschuldete Notlage beim Besuch vor Ort sofort ersichtlich, und schon nach wenigen Wochen erhielten die jungen Bergbauern die gute Nachricht. «Wir sind sehr dankbar für diese rasche und unkomplizierte Hilfe», sagt Petra. «Weil der Rest des Baus problemlos ablief, können wir jetzt zuversichtlich in die Zukunft schauen.»
Zu dieser Zukunft gehört auch, den letzten noch sichtbaren Rest des Hangrutsches zu verbauen. Bernhard hat sich einen Bagger ausgeliehen und erledigt diese Arbeiten, wie das meiste am Stall, alleine. Und wenn die Grasnarbe erst wieder zugewachsen ist, dann erinnert nichts mehr daran, dass der neue Stall eine schwere Geburt hatte.