Die Schreinerei von Vecellios ist nicht das einzige Kleinunternehmen im Tal, das Mühe hat, mit dem schnellen Tempo der Digitalisierung Schritt zu halten. Cassiano Luminati, der Direktor des lokalen Weiterbildungsanbieters Polo Poschiavo, hat dies erkannt: «Das Bedürfnis nach Austausch und Weiterbildung im digitalen Bereich, gerade in italienischer Sprache, ist im Poschiavo gross», sagt er. «Als ich von der Vergünstigungsaktion der Berghilfe erfahren habe, habe ich deshalb gleich damit begonnen, Ideen zu spinnen». Zusammen mit dem lokalen Gewerbeverband hat er die Weiterbildungsreihe «L’Azienda Digitale» aus dem Boden gestampft. Diese richtet sich an Berufsleute aus den unterschiedlichsten Branchen, die sich mit den Herausforderungen und Möglichkeiten der digitalen Welt auseinandersetzen möchten. Dank der Weiterbildung soll es leichter fallen, Prozesse an neue Technologien anzupassen.
L’Azienda Digitale ist von Anfang an auf eine enorme Resonanz gestossen: «Der Raum am Infoabend war voll», sagt Cristina Vecellio. Jüngere und Ältere, querbeet aus den verschiedenen Branchen, sind erschienen. Dass die Schweizer Berghilfe die Hälfte der Kurskosten für Inhaber und Mitarbeitende von Kleinunternehmen übernimmt, hat sicher auch eine Rolle gespielt. «Mit L’Azienda Digitale möchten wir erreichen, dass Akteure verschiedenster Unternehmen miteinander Lösungen erarbeiten», so Luminati. Cristina Vecellio ist überzeugt, dass die Teilnehmer auf diese Weise optimal voneinander profitieren können. «Die geplante Community, die sich auf einer digitalen Plattform austauscht, ist sicher sehr hilfreich. Gerade für uns Ü-50er», lacht sie. Dass man zusammenarbeitet, hat im Poschiavo Tradition. Nicht nur zwischen den verschiedenen Gewerbetreibenden, sondern auch bei den 18 Schreinereien im Tal untereinander. «Konkurrenzdenken gibt es bei uns wenig», sagt Cristina. Wenn beispielsweise ein Auftrag reinkommt, den Vecellio Legno nicht vollständig ausführen kann, setzt die Schreinerei für diesen Teil auf Personalaustausch «Wir unterstützen uns gegenseitig. Das bringt uns und letztlich dem ganzen Tal am meisten», sagt sie.
Text: Anja Hammerich
Bilder: Yannick Andrea
Erschienen im
März 2020