Ruhepause für den Wecker

Dank neuer Heizung muss Hotelier Dominique Mayor nur noch einmal täglich einfeuern. Vorher hiess es auch in der Nacht: jede Stunde aufstehen und Holz nachlegen.

«Man gewöhnt sich an alles», sagt Dominique Mayor mit einem Schulterzucken. Klar sei er froh, im Winter nicht mehr jede Stunde aus dem warmen Bett klettern, in den Keller hinuntersteigen und in der Holzheizung aus den 1950er-Jahren Scheite nachlegen zu müssen. Aber so dramatisch sei das jeweils gar nicht gewesen. Viel schlimmer war für ihn, dass am Morgen nicht genügend warmes Wasser vorhanden war, damit alle Gäste in seinem kleinen Hotel mit 17 Zimmern duschen konnten. Oder dass er in der Zwischensaison und im Sommer jede freie Minute mit Holzen verbrachte und die Vorräte in einem strengen Winter dennoch fast nicht reichten.

Das Projekt in Kürze

  • Gasthaus
  • Neue Holzheizung
  • S-charl/GR

Das Gasthaus Mayor ist besonders im Winter ein einzigartiger Ort. Während im Sommer trotz der abgelegenen Lage tagsüber im Unterengadiner Dorf einiger Trubel herrscht, gibt es in der kalten Jahreszeit Ruhe pur. Ausser dem Gasthaus Mayor sind nur noch die vom Personal bewohnten Häuser belebt. Sonst sind alle Türen verschlossen, die Gebäude winterfest gemacht. Vor Weihnachten und nach Ostern, wenn das «Mayor» zu bleibt, ist Dominique oft wochenlang der einzige Mensch im ganzen Tal. Weil er jahrein, jahraus hier lebt, ist er nebst Hotelier auch Feuerwehrkommandant, Wetterwart, Rettungsstation und Dorfabwart in Personalunion. Er hat von jedem einzelnen Haus in S-charl einen Schlüssel am Brett im Keller hängen.

«Es ruft immer wieder mal einer der Besitzer an und bittet mich, kurz nach dem Rechten zu sehen», erzählt er. Auch wenn er manchmal lange allein ist – einsam fühlt sich Dominique nie: «Ich weiss ja, dass ich bald wieder Besuch bekomme.» Er sei sich halt einfach an diese Art von Leben gewöhnt. Der 57-Jährige ist hier aufgewachsen, half schon als Kind seinen Eltern beim Betrieb des Gasthauses. Dann folgten eine Kochlehre, Aufenthalte im Ausland und verschiedene Stellen in der Gastronomie. «Aber immer eher abgelegen, nie in einer Stadt.» 2006 dann übernahm er den elterlichen Betrieb.

Neue Gäste dank Pferdeschlitten

Damals waren es vor allem ambitionierte Skitourengänger, die im Winterhalbjahr im «Mayor» ihr Basislager aufschlugen. Heute sind es vermehrt auch Leute, die es gemütlicher angehen lassen und in erster Linie die Ruhe geniessen wollen. Das neue Gästesegment kam nicht per Zufall. Schon 1980 überlegte sich Dominiques Vater, wie er auch die Leute zu sich bringen könnte, die keinen mehrstündigen Fussmarsch auf sich nehmen können oder wollen. Die Lösung waren Pferdeschlitten.

Heute betreibt eine befreundete Bauernfamilie schon in zweiter Generation einen Shuttle-Dienst der besonderen Art. Die Gäste werden direkt am Bahnhof oder am Parkplatz unten in Scuol abgeholt. Die ersten – und steilsten – Kilometer geht es noch per VW-Bus, oben angekommen wartet bereits der Schlitten mit den zwei eingespannten Pferden. Die Gäste werden mit Wolldecken und Fellen gut eingepackt, dann geht es in gemütlichem Tempo gut eine Stunde lang durch die einsame und verschneite Winterlandschaft. So ist nur schon die Anreise ein Erlebnis. Und die meisten Gäste des «Mayor» sind mit ihren Ferien bereits zufrieden, bevor sie überhaupt ein erstes Mal Dominiques traditionelle Küche aus lokalen Zutaten genossen, mit Schneeschuhen den höchstgelegenen Arvenwald der Welt erkundet und danach im Hotpot oder der Sauna entspannt haben.

gasthaus-mayor.ch

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im November 2023

Die Unterstützung

Mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe konnte Dominique Mayor in seinem Gasthaus eine neue Holzheizung mit Speicher einbauen. Jetzt verbrennt er 40 Prozent weniger Holz. Möchten auch Sie unterstützen?
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