Sie meistern den Spagat zwischen Pistenbeiz und Gourmetlokal

Luzia und Fernando Michlig kannten «ihre» Tenne schon in- und auswendig, als sie das Hotel mit Restaurant im Jahr 2019 von Fernandos Eltern übernahmen. Ihr Konzept, sowohl Pommes mit Chicken Nuggets wie auch Sterneküche anzubieten, kommt an. Doch ohne grössere Umbauten hätte es keine Zukunft.

«Wir sind als Paar in den Betrieb von Fernandos Eltern hineingewachsen», sagt Luzia Michlig. Sie und ihr Mann hatten das Restaurant Hotel Tenne bereits mehrere Jahre geführt, bevor sie es 2019 offiziell übernahmen. Und sie wussten schon damals: Um den schleichenden Umsatzrückgang zu stoppen, müssen zwingend Investitionen getätigt werden. Die veraltete Küche und der Gastraum müssen komplett umgebaut werden. Und die Zimmer irgendwann auch. «2,3 Millionen Franken sollte der erste Umbau kosten», erinnert sich Luzia und fügt an: «Das war ein grosser Brocken. Danach würde das Haus nicht mehr uns gehören, sondern den Banken». Zuerst zögerten sie. Doch als die Banken, die Tourismusförderung und die Berghilfe ihnen Vertrauen schenkten, wagten sie es. «Uns war klar: Wenn wir jetzt nicht investieren, können wir bald zu machen», sagt Luzia.

Das Projekt in Kürze

  • Hotel und Restaurant
  • Neuer Gastraum
  • Gluringen/VS

An der Hauptstrasse gelegen und trotzdem viel Effort nötig

Luzia und Fernando stellen fest, dass die Ansprüche der Gäste deutlich gestiegen sind. «Früher akzeptierte man in den Hotelzimmern einen knarrenden, abgewetzten Holzboden oder dass man Stimmen von nebenan hörte.» Auch eine dunkle, enge Gaststube mit älteren Möbeln habe die Gäste nicht am Übernachten gehindert. «Heute wollen es die Gäste mindestens so schön haben wie zu Hause. Und wir wohnen ja inzwischen alle recht schön», sagt die 40-jährige, ausgebildete Hotelière.

Das Gasthaus liegt direkt an der Gommer Hauptstrasse in Gluringen. Im Winter ist es fast ein Selbstläufer, die Langlaufloipe und ein Kinderskilift gleich nebenan bringen viele Gäste. Die zwölf Doppelzimmer sind dann fast durchgehend ausgebucht. «Dann ist es ein rechter Spagat», sagt Luzia. «Am Mittag sind wir eine richtige Skiliftbeiz mit Pommes mit Chicken Nuggets, Chässchnitte und Gulaschsuppe. Um 17 Uhr sind dann alle weg und wir richten eilig Restaurant und Küche auf die gehobene Abendkarte aus.»

Einladender Gastraum und Sterneküche

Anders sieht es im Frühling, Sommer und Herbst aus. Gäste finden sich dann selten zufällig ein. Hier spielt Fernando seit etlichen Jahren seine Trümpfe als Gourmetkoch und ehemaliges Mitglied der Schweizer Kochnationalmannschaft aus: 13 Gault&Millau Punkte darf er sein Eigen nennen. Doch erst der Umbau im Jahr 2020 gab dem Restaurant den ersehnten Sprung und neue Gäste. «Danach hörten wir oft, dass die gute Küche einfach nicht mit dem Restaurantstil übereingestimmt habe. Und wir bekommen auch jetzt, nach vier Jahren, immer wieder Komplimente für den hellen Raum mit den grosszügigen Fenstern», sagt Fernando. «Damit sprechen wir auch viele jüngere Gäste an. Vor allem am Abend sieht man jetzt von der Strasse seitlich direkt ins Restaurant, was vorher nicht der Fall war. Und das lädt die Leute ein, hineinzukommen.»

Manchmal lässt sich der 43-Jährige auch von Gästen einspannen. Letzten Winter zum Beispiel meldeten sich zehn Personen an, die «Freunde der inneren Werte». «Sie wollten ein Menü, acht Gänge, nur Innereien. Sie schickten mir die Menüs, die sie in den vergangenen Jahren an anderen Orten gegessen hatten, damit ich ihnen etwas Neues auftischen kann», sagt Fernando. «Das war eine spannende Herausforderung und dazu musste ich erst mal die Innereien bekommen. Zum Glück haben wir hier noch einen Metzger, der selbst schlachtet.» Die Vorbereitungen auf das spezielle Essen beschäftigten den 43-jährigen Koch über drei Wochen.

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Alle Gäste sind gleich wertgeschätzt

Doch allein das gute Essen reicht noch nicht. Das wissen auch Fernando und Luzia. Sie und ihr 13-köpfiges Team heissen jeden und jede so herzlich willkommen, dass man sich gleich ein bisschen zu Hause fühlt. «Die Gäste am Tag schätzen wir genauso wie die Gourmetgäste am Abend. Wir haben zum Beispiel auch Arbeiter jeden Mittag, die sind mindestens so wichtig für uns. Und die täglichen Menüs, die Fernando für den Senioren-Mahlzeitendienst und für die Schule zubereitet, sind ein zusätzliches, wichtiges Standbein.» Die Tage sind dementsprechend lang für das Paar. «Im Winter haben wir eigentlich nie frei. Aber das geht gut, weil wir ja unsere Gäste gernhaben und das Team toll ist», sagt Luzia. «Wir sind wie eine grosse Familie». Dazu zählen die Eltern von Fernando und die rund 13 Angestellte, darunter drei Lernende. Und seit vier Jahren auch Amalia, die Tochter des Wirtepaars. «Sie ist hier zuhause, den Tag hindurch gehört sie zum Restaurant. Wir frühstücken immer mit ihr unten mit allen anderen», sagt Luzia. Und wenn nötig, würden Fernandos Eltern auf sie aufpassen, oder im Betrieb aushelfen. Damit die Erfolgsgeschichte der Tenne weitergeht, braucht es nun den nächsten Umbau. 2026 planen die Gastgeber den zweiten, grossen Renovationsschritt: Alle Zimmer sollen komplett saniert werden.

Text: Alexandra Rozkosny

Fotos: Yannick Andrea

Erschienen im Januar 2025

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