Tanzend zum perfekten Salto

Mitten in Sainte-Croix im Waadtländer Jura stehen alte Fabrikgebäude. Wo früher Feinmechanik hergestellt wurde, feilen heute Artisten und Artistinnen an ihren Fertigkeiten. Unterrichtet werden sie von Clément Bugnon. Der Profitänzer und Sohn des Gründerpaares startete erst mit 15 Jahren seine Ballettausbildung.

«Ich unterrichte ein spezielles Fach hier an der Artistenschule «ZartiCirque» in Sainte-Croix – es heisst Acro Dance. Diese Tanzform verbindet Tanz und Akrobatik. Dabei schulen die Artistinnen und Artisten ihr Körpergefühl und legen eine wichtige Basis, um sich verletzungsfrei zu bewegen. Zuerst lehre ich alle, sich am Boden kriechend flüssig zu bewegen. Erst dann steigert man sich, beginnt zu springen oder sich gegenseitig zu werfen. Deshalb beginnen bei mir alle Stunden am Boden. Tief in der Hocke, die Hände auf den Boden gestützt, lasse ich die Artisten und Artistinnen zum Beispiel vorwärts kriechen, ihre Füsse mal links, mal rechts vom Körper über den Boden schleifend. Es soll flüssig und leichtfüssig wirken. Spektakulär sieht das nicht aus. Aber es steckt enorm viel Arbeit und Technik dahinter. Allein dieses Kriechen ist das Resultat von eineinhalb Jahren Training!

Ich war als Kind sportlich, aber Zirkus interessierte mich weniger. Als Teenager packte mich das Tanzen so leidenschaftlich, dass ich als 15-jähriger die Ballett-Grundausbildung startete – unter achtjährigen Mädchen im Tutu, das war schon etwas schräg. Acht Jahre dauerte die Ausbildung, acht Stunden am Tag, es war hart. Aber es gefiel mir sehr.

Das Projekt in Kürze

  • Artistenschule
  • Trainingshalle für Seilkünste
  • Sainte-Croix/VD

​Zurück nach Sainte-Croix

Als Profi tanzte ich mehrere Jahre in klassischen Ensembles in ganz Europa. Parallel habe ich mit einem Tanzkollegen eine eigene Kompanie aufgebaut, «Idem» heisst sie. Dort setzen wir unsere Vision vom Tanz um. Elemente von Capoeira oder Brake-Dance bauen wir ebenso ein wie klassische Elemente und akrobatische Stücke. Das brachte mich vor 10 Jahren gegen Ende meiner Profikarriere wieder zurück hierher, nach Sainte-Croix. Weg vom Trubel der Grossstädte können wir hier unsere Stücke besser entwickeln. Zugleich konnte ich mir – dank meiner Eltern und ihrer Artistenschule – als Tanzlehrer ein neues Standbein aufbauen. Inzwischen 37-jährig bin ich Vater von zwei kleinen Kindern. Ein regelmässiges Einkommen entlastet. Neben mir unterrichten rund 15 Profis angehende Artisten und motivierte Amateurinnen in verschiedenen Disziplinen: am Tuch, am dicken Strick, auf der Sprungwippe, an der Stange, etc. Dafür haben meine Eltern zwei Gebäude umgebaut. Insgesamt besuchen jährlich rund 200 Studentinnen und Schüler unsere Kurse.

Der Weg zum Salto

Alle Artistinnen und Artisten fangen einmal klein an. Etwa mit einem Salto auf dem Trampolin. In der Artistenschule in Sainte-Croix kann man sich auf dem Weg zu diesem Etappenziel begleiten lassen. Dieser Weg kann kürzer oder länger sein, je nach Alter und Geschick der Schülerin oder des Schülers. Artisten-Trainer Clément Bugnon: «Wer eine gute Kondition hat und regelmässig übt, kann damit rechnen, nach ein bis zwei Monaten einen schönen Salto hinlegen zu können.»
ZartiCirque

Alles wegen der Schwester

Angefangen hat das mit der Artistenschule wegen meiner elf Jahre jüngeren Schwester, die sich an alles hing, was sie fand. Um zu verhindern, dass sie mit ihrem Trapez eines Tages die Decke runterreisst – aber auch, um ihr und anderen Kindern vielfältige Bewegung zu ermöglichen – mieteten sich meine Eltern in einer Turnhalle ein. Sie sind beide Pädagogen und überzeugt, dass Bewegung eine zentrale Basis für jegliche Entwicklung ist. Schliesslich fanden sie einen permanenten Ort für eine Artistenschule in unserem Heimatort Sainte-Croix. Inzwischen hat sich meine Schwester in Kanada zur professionellen Artistin weitergebildet und tourt erfolgreich in Europa. Und wer weiss, vielleicht kommt sie nach ihrer Profikarriere auch hierher zurück, wo alles angefangen hat.»

Text: Alexandra Rozkosny

Bilder: Yannick Andrea

Erschienen im März 2023

Die Unterstützung

Die Artisten-Schule von Yves und Dominique Bugnon benötigte einen hohen Raum für die Akrobatik am Vertikal-Tuch und -Seil. Dank der Schweizer Berghilfe konnten sie im dafür erworbenen zweiten Gebäude das Dach renovieren.


Die Schweizer Berghilfe leistet finanzielle Unterstützung, wenn das Geld nicht ausreicht, um ein zukunftsweisendes Projekt zu realisieren.