Übernachten im 18. Jahrhundert
Im historische Hotel «Palazzo Gamboni», zuhinterst im Onsernonetal, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
Im historische Hotel «Palazzo Gamboni», zuhinterst im Onsernonetal, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
Der Palazzo Gamboni in Comologno ist praktisch noch genauso erhalten, wie es sein Erbauer im 18. Jahrhundert eingerichtet hat. Im historischen Hotel können sich die Gäste auf eine Zeitreise begeben.
Gefühlt tausend Kurven sind es auf der schmalen Bergstrasse, die sich von Locarno in leichtem Anstieg das Onsernonetal hinaufschlängelt, bis nach Comologno. Tausendmal abbremsen, einschlagen, wieder Gas geben. Durchaus auch mal im Rückwärtsgang, wenn man Pech hat und einem das Postauto entgegenkommt. Dass einen in dieser wilden, von scheinbar endlosen Wäldern und verstreuten kleinen Bergdörfern geprägten Landschaft ein «Palazzo» erwartet, ist kaum vorstellbar. Aber so ist es. Comologno, das 8-Seelendorf keine 2 Kilometer von der italienischen Grenze entfernt, überrascht mit prächtigen, historischen Villen. Erbaut wurden die Herrschaftshäusern, die die Einheimischen «Palazzi» nennen, im 18. Jahrhundert von wohlhabenden Bürgern wie Remigio Gamboni. Wie viele seiner Landsleute war er einst aus dem mausarmen Onsernonetal ausgewandert und hatte es in Frankreich als Handelstreibender zu Reichtum gebracht. Seinen Lebensabend wollte er aber in seinem Heimatdorf verbringen, und so liess er ab 1730 eine feudale Villa in Comologno bauen – den «Palazzo Gamboni».
Die späteren Nachfahren Gambonis wussten mit dem Palazzo nicht mehr viel anzufangen. So stand das Haus viele Jahrzehnten lang leer, bis es die Bürgergemeinde von Comologno 1998 kaufte – mitsamt der historischen Ausstattung und Möblierung, vom Holzfeuerherd über die Biedermeier-Sofas bis zur Suchard-Dose von 1910. Nach einer sanften Restauration und der Erweiterung um einen modernen Anbau, wurde der Palazzo Gamboni 2001 als historisches Hotel mit fünf Zimmern – davon zwei mit Originaleinrichtung – sowie Sauna und Whirlpool wiedereröffnet.
«Das war ein grosser Gewinn für Comologno und das ganze Tal. Denn der Palazzo Gamboni zieht Gäste in die Region, belebt das Dorf und hat wichtige Arbeitsplätze geschaffen», sagt Rita Studer, die das Hotel seit 2006 führt. Neben Studer beschäftigt das Hotel, zu dem auch die Osteria Palazign am Ortseingang gehört, drei weitere Festangestellte und ein bis zwei Aushilfen während der Spitzenzeiten im Sommer. Damit ist es einer der grössten Arbeitgeber im Tal. «Und dazu noch das einzige Hotel. Es gibt ansonsten nur ein paar wenige Bed and Breakfasts und private Gästeunterkünfte», weiss Studer. Neben Tourengängern und Ruhesuchenden sind es vor allem Liebhaber historischer Architektur, die im Palazzo Gamboni Ferien machen.
Doch so schön die altehrwürdigen Räumlichkeiten sind, der Palazzo zeigt Alterserscheinungen. «Seit ein paar Jahren hatten wir das Problem, dass das Dach undicht war und es reinregnete», erzählt Studer. «Nach Starkregen oder Gewittern verwandelte sich die Treppe in einen Bach. Die Gäste mussten durch knöcheltiefes Wasser waten, wenn sie in ihr Zimmer wollten.» Hinzukam, dass ein Dachfenster wegen morscher Balken eingefallen war. Es musste dringend etwas gemacht werden. Aber die Arbeiten an den traditionellen Granitdächern sind sehr teuer, weil es nur noch wenige Handwerker gibt, dich sich damit auskennen. «Das Hotel läuft zwar gut, aber für derartige Investitionen reicht das Geld nicht. Und in unserer Region gibt es für den Erhalt von Steindächern keine staatlichen Subventionen. Daher waren wir über den finanziellen Beitrag der Berghilfe enorm froh», sagt Studer.
Seit April ist das Dach nun repariert. Ausserdem wurde die originale Wandmalerei im Treppenhaus, die durch das Wasser im Mitleidenschaft gezogen worden war, restauriert. Die Gäste können nun also wieder bei jedem Wetter trockenen Fusses durch den Palazzo schlendern und sich auf dem Biedermeier-Sofa von der kurvenreichen Anfahrt erholen.