Weidmannsheil im Toggenburg
Was im «Rössli» in Alt St. Johann auf den Tisch kommt, ist saisonal, frisch und lokal. Beim Wild ist der gesamte Weg von der Jagd bis auf den Teller in Familienhand.
Was im «Rössli» in Alt St. Johann auf den Tisch kommt, ist saisonal, frisch und lokal. Beim Wild ist der gesamte Weg von der Jagd bis auf den Teller in Familienhand.
Heute kommt Georges Schlumpf mit leeren Händen nach Hause. Er hat zwar zwei Rehe gesehen – einen jungen Bock, den er hätte schiessen dürfen und eine Geiss – aber die Tiere waren zu vorsichtig. «Das gehört dazu», sagt er später. «Oft bin ich viele Stunden auf der Pirsch, ohne jemals nur in die Nähe eines Abschusses zu kommen.»
Der 70-Jährige geht seit über vier Jahrzehnten auf die Jagd: Rehe, Hirsche, Gemsen, ab und zu auch Steinböcke. Seine Jagdgruppe hat ein Revier, das sich gleich oberhalb von Alt St. Johann bis zum Säntis hinauf erstreckt. Die Rehjagd beginnt hier Anfang Juni. Ab dann gibt es kaum einen Morgen, an dem Georges nicht bereits in der Dämmerung draussen ist.
Georges jagte nie nur zum Plausch. Es ging ihm immer um das Fleisch fürs eigene Restaurant. Das «Rössli», seit 1828 in Familienbesitz, machte er weitherum bekannt mit seinen Wildspezialitäten. Seit 2022 haben nun Tochter Josiane und Schwiegersohn Philipp Bauer das Sagen im Betrieb. Beide sind ausgebildete Köche, Phillipp hat zudem ein BWL-Studium in der Tasche. Kennengelernt haben sich die beiden im Tessin, wo sie im selben Restaurant arbeiteten. Es folgten gemeinsame Stationen im In- und Ausland, bevor sich mit Sohn Jona das erste der inzwischen drei Kinder ankündigte und die junge Familie Bauer ins Toggenburg zog. Dort half Josiane im elterlichen Restaurant mit, während Philipp nach Bad Ragaz pendelte, wo er als Eventmanager in einem renommierten Hotel arbeitete.
Mehrere Jahre überlegten die beiden, ob sie als fünfte Generation
das «Rössli» übernehmen sollten. 2021 entschieden sie sich dafür – und
haben es nie bereut. Auch wenn die nötigen Umbauarbeiten, vor allem um
die Küche zu erneuern, anstrengend und finanziell herausfordernd waren.
Einiges haben Philipp und Josiane geändert. Anderes blieb genauso, wie
es war. Etwa der hausgemachte Hackbraten auf der Speisekarte. Und
natürlich die Spezialisierung auf Wildgerichte. Nur übergibt Georges
heute die zerlegten Tiere an Philipp. Dessen Kreationen aus der Küche
müssen sich nicht verstecken vor denen seines Schwiegervaters.