Werkstatt mit Laden statt Laden mit Werkstatt

Wer ist so verrückt, eine gut bezahlte Kaderstelle beim Kanton aufzugeben, um einen Eisenwarenladen zu übernehmen? Werner Hugener aus dem Appenzellerland. Um das Traditionsgeschäft erhalten zu können, krempelt er es gehörig um.

«Ich wollte es einfach nicht hinnehmen, dass ein traditionsreiches Geschäft nach dem anderen schliesst und niemand etwas dagegen unternimmt.» So fasst Werner Hugener seine Motivation zusammen, die ihn dazu bewogen hat, im Jahr 2018 die damalige Eisenwarenhandlung Schmid mitten in Gais zu übernehmen. Zumindest einen Teil seiner Motivation. Der andere war, dass der damalige Leiter des Innerrhoder Amts für Berufsbildung und Berufsberatung einfach nochmals etwas Neues machen wollte.

Als er den Betrieb mit seinen damals zwei Angestellten übernahm, war ihm klar, dass dieser ohne einschneidende Umstrukturierungen keine Zukunft haben würde. «Einzelne Schrauben und Haushaltgeräte zu verkaufen, ist heutzutage ein Verlustgeschäft.» Ein Beispiel: Für viele Produkte zahlt er im offiziellen Einkauf mehr, als die meisten Online-Shops verlangen. Werner stellte sich also die Frage: «Wo können wir zusätzliche Wertschöpfung generieren?» Er baute den bestehenden Schleifservice aus, richtete im Obergeschoss eine Werkstatt ein, um Reparaturen ausführen zu können, lancierte ein Kursangebot für Arbeitssicherheit und begann, umfangreiche Dienstleistungen auch bei der Kundschaft zu Hause anzubieten. «So konnten wir den Laden, der für die Bevölkerung so wichtig ist, erhalten.»

Und dann kam Corona. Der Lockdown brach dem jungen Unternehmen, das inzwischen Hugener Tools hiess, fast das Genick. Er sorgte aber auch dafür, dass Werner die angestossenen Änderungen zwangsläufig noch rascher und konsequenter umsetzen musste. «Wir gingen zusammen durch den geschlossenen Laden und diskutierten bei jedem Produkt, ob es Möglichkeiten bietet, zusätzliche Einnahmen zu generieren», erinnert er sich. Als Folge wurden das Sortiment gestrafft und weitere Serviceleistungen eingeführt. Doch die Zeiten des grossen Geschäfts an zentraler Lage waren endgültig gezählt.

Das Projekt in Kürze

  • Eisenwarengeschäft
  • Infrastruktur
  • Gais/ AR

Offene Werkstatt für alle

«Ich hatte schon lange die Idee, aus dem Laden mit Werkstatt eine Werkstatt mit Laden zu machen», erklärt Werner. Am liebsten eine öffentlich zugängliche, die Private, aber auch Schulen und Lehrbetriebe nutzen können. Als dann die Fachhochschule OST Interesse an dieser Idee bekundete, war die Zeit reif für den grossen Schritt. «Maker Space» soll die Werkstatt heissen und sowohl für die Berufsbildung als auch für Private, Schulen und Unternehmen offenstehen. Eingerichtet wird sie in einem teilweise leer stehenden Industrieareal am Dorfrand von Gais, betreut von Werner und seinen inzwischen fünf Leuten. Diese werden dort auch ihre Kurse anbieten, ihre Reparaturen erledigen und nicht zuletzt weiterhin Werkzeug und Material für Gewerbe und Landwirtschaft verkaufen. Anfang Jahr zügelten Laden und Werkstatt in ein Provisorium, der definitive Umzug in die neue Werkstatt ist demnächst geplant. Landwirt und Kunde Markus Ziegler sagt dazu: «Es macht mir nichts aus, dass der Laden jetzt nicht mehr so zentral liegt. Hauptsache, ich bekomme weiterhin alles, was ich für meinen Betrieb brauche. Und zwar von Leuten, die ich kenne und die drauskommen bei dem, was sie verkaufen.»

Text: Max Hugelshofer

Bilder: Yannik Andrea

Erschienen im November 2024
 Werner Hugener hat das alte Eisenwarengeschäft übernommen und krempelt es gerade kräftig um.
Werner Hugener hat das alte Eisenwarengeschäft übernommen und krempelt es gerade kräftig um.

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