«Wir haben alles auf den Kopf gestellt»
Das Kellergewölbe der Weberei Tessanda im Val Müstair wurde zu einem Kurs- und Ausstellungsraum umgebaut.
Das Kellergewölbe der Weberei Tessanda im Val Müstair wurde zu einem Kurs- und Ausstellungsraum umgebaut.
«Wir haben viele spontane Anfragen von Touristen, die einen Webkurs machen möchten», sagt Gabriella Binkert. Die Stiftungspräsidentin hat die Handweberei in Santa Maria/GR auf die Erfolgsspur gebracht. Mit dem von der Schweizer Berghilfe unterstützten Ausbau des Kellergewölbes zu einem Kurs- und Ausstellungsraum wird der Betrieb nachhaltig gestärkt.
Seit Gabriella Binkert vor drei Jahren das Stiftungspräsidium übernommen hat, weht ein frischer Wind durch die alten Mauern der Handweberei Tessanda. «2006 stand alles auf der Kippe», meint die 49-Jährige rückblickend. «Als die Löhne nicht mehr bezahlt werden konnten, mussten wir uns im Stiftungsrat entscheiden, ob wir alles aufgeben oder den Betrieb komplett umkrempeln.» Für Gabriella Binkert war klar, dass die Schliessung des Betriebs für die Wirtschaft im Tal schlimm gewesen wäre: «Einerseits wären bei uns vier Arbeitsstellen verloren gegangen, andererseits hätten wir den landesweit einzigen Weberinnen-Ausbildungslehrgang an der Gewerbeschule Santa Maria aufs Spiel gesetzt», meint sie. «Die Schülerinnen und Lehrpersonen kommen aus der ganzen Schweiz und bringen Fachwissen und auch Kaufkraft in unser abgeschiedenes Tal.»
So stellte Gabriella Binkert mit Stiftungsratskollege Chasper Melcher den Traditionsbetrieb auf den Kopf. «Wir wollten kämpfen, für die Tessanda, für das ganze Tal.» Heute lohnt sich die Arbeit der jungen Weberinnen wieder: Das Sortiment der Tessanda wurde gezielt erweitert, und jene Stoffe, die früher Ladenhüter waren, zu neuen Produkten verarbeitet. Heute findet das Sortiment der Tessanda Abnehmer weit über das Tal hinaus, wobei Ferienhausbesitzer aus dem Engadin eine besondere Schwäche dafür haben. «Wir konnten schon verschiedentlich Stoffe liefern, mit denen dann ganze Möbeleinrichtungen bezogen wurden», erzählt Binkert. Für die Zukunft der Tessanda ist es jedoch unabdingbar, noch stärker als heute den direkten Draht zu den Kunden zu suchen, um ihnen die besondere Qualität der Handarbeiten vor Augen zu führen. Mit dem Ausbau des Kellergewölbes, für den die Schweizer Berghilfe den entscheidenden Teil der Kosten übernimmt, werden dafür die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen. Heute liegt das Kellergewölbe noch ungenutzt im Dunkeln. «Wir haben viele spontane Anfragen von Touristen, die einen eigenen Schal bei uns machen wollen, den sie am Ende ihrer Ferien mit nach Hause nehmen können», meint Gabriella Binkert. Dank des Ausbaus wird jeweils eine Weberin die wissbegierigen Gäste betreuen können, während die anderen im ersten Stock ungestört ihrer Arbeit nachgehen können.