Das Toggenburg und die ganze Welt von oben

Vom 14. bis am 17. September finden zum 11. Mal die Toggenburger Ballontage statt. Als Pilotin nach längerer Pause wieder mit dabei: Lea Zeberli aus dem Thurgau. Sie ist schon auf der ganzen Welt aufgestiegen, zum Toggenburg hat sie aber ein ganz spezielles Verhältnis.

«Wow, schöner geht es nicht, oder?», fragt Lea Zeberli. Hinter ihr geht über dem Appenzellerland soeben die Sonne auf und taucht die vielen kleinen Zirruswolken am Himmel in eine spektakuläre Mischung aus Pink, Orange und Blaugrau. Diese Wolken sind für das knappe Dutzend Leute, die das Erlebnis mit Lea teilen, deutlich näher als üblich. Denn mit vor Staunen offenen Mündern und gezückten Kameras stehen sie in den Körben der beiden Heissluftballone, die sich vom Toggenburg aus langsam in Richtung Thurgau bewegen. Sonnenaufgang-Fahrt ist angesagt bei der Firma Ballon Zeberli. Dass die Pilotin des einen Ballons auch Zeberli heisst, ist kein Zufall. Lea ist die Schwester von Firmeninhaber Stefan, und vor allem am Wochenende hilft sie ihrem Bruder immer wieder mal aus.

Noch vor einigen Jahren stand Lea für solche Fahrten nicht zur Verfügung. Da arbeitete sie nämlich je nach Saison in Myanmar und in Kenia als Ballonpilotin für ein grosses Unternehmen. Sie pilotierte dort Ballone, die in ihrem Korb bis zu 16 Personen Platz boten, lernte täglich noch mehr übers Ballonfahren, über Wetter und Wind, sowie über Land und Leute. «Es war einfach ein Traum», sagt sie.

Doch dann kam Corona. Der Tourismus brach zusammen, Lea und ihr katalanischer Lebenspartner Pep, den sie in Myanmar bei der Arbeit kennengelernt hatte und der heute den zweiten Ballon pilotiert, kamen zurück in die Schweiz. Lea fing wieder an, in ihrem angestammten Beruf im sozialen Bereich zu arbeiten, für das Ausleben ihrer Ballon-Begeisterung musste die Freizeit ausreichen. «Im Moment reicht mir das aus, aber es kann schon sein, dass es mich später wieder in die Ferne zieht», sagt Lea.

Improvisierte Flugversuche

Mit dem Ballonvirus wurde Lea schon als kleines Mädchen von ihrem Bruder infiziert. Ein Nachbar bot Heissluftballon-Flüge an, und Stefan beobachtete fasziniert die bunten Ballone am Himmel und fuhr ihnen beim Landeanflug mit dem Velo nach. Die kleine Schwester Lea nahm er immer öfter mit. Bald schon bastelte Stefan erste Ballone aus Seidenpapier, später dann solche aus Metallfolie. Sie wurden grösser, flogen weiter. Erst wurden Stofftiere als Passagiere in die Luft geschickt, später war es dann die kleine Schwester, die in einem ausgedienten Gleitschirm-Gstältli unten am Ballon befestigt wurde. Mit der Gasflasch vom Grill wurde die Luft im Ballon erhitzt, dann ging es nach oben. «Angst hatte ich damals nie», erinnert sich Lea. Stefan hielt mich ja an einem Seil fest. Und wenn die Luft abkühlte und es wieder runterging, fing er mich auf.»

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Schon auf der ganzen Welt angetreten

Stefan stieg noch vor seinem Lehrabschluss zu richtigen Heissluftballonen auf, absolvierte die nötigen Prüfungen und baute sich seine Firma auf. Nebenbei bestritt er Wettkämpfe, wurde Weltmeister und viele Male Europa- und Schweizermeister. Lea wiederum war lange Zeit damit zufrieden, ihren Bruder zu begleiten und ihm zur Hand zu gehen. Erst als eine langjährige Beziehung zu Bruch ging, setzte sie ganz aufs Ballonfahren. Ihr Bruder, zu dem sie eine enge, aber auch kompetitive Beziehung habe, half ihr bei der Ausbildung, stellte Material, verriet ihr Tricks. Alles unter der Voraussetzung, dass Lea ihm in sportlicher Hinsicht keine Konkurrenz macht. Die Umstände wollten es dann aber, dass Lea in Myanmar eine Wette mit einem Pilotenkollegen verlor und deshalb an den Schweizermeisterschaften teilnehmen musste. «Als ich zum ersten Mal teilnahm und kurzzeitig sogar vor Stefan klassiert war, wurde ich schon etwas nervös», sagt sie. Inzwischen hätten sie sich aber ausgesprochen und es sei für ihren Bruder in Ordnung, wenn sie gegen ihn antrete. Die Geschwister bereiten sich nun sogar gemeinsam auf Wettkämpfe vor und besuchen diese gemeinsam. Das nächste gemeinsame Ziel sind die Schweizermeisterschaften 2024 in Gossau.

Gemeinsam mit Stefan ist Lea schon an Wettkämpfen auf der ganzen Welt angetreten. «Ich habe extrem viel erlebt, wunderschöne Gegenden von oben gesehen und Kontakte zu Ballonbegeisterten auf allen Kontinenten geknüpft», erzählt sie. Doch eine Veranstaltung war ihr immer besonders wichtig: die Ballontage Toggenburg in Ebnat-Kappel. «Dort ist für mich die Mischung aus Wettkampf und Zusammensein perfekt.» Jede kenne jeden, der Umgang sei kameradschaftlich, und ausserdem finde die Veranstaltung praktisch vor ihrer Haustüre statt. «Zudem waren die Ballontage das erste Meeting, an dem ich teilnehmen konnte, als ich selber Ballonfahren lernte.» Dieses Jahr wird Lea nach langer Pause endlich wieder mal an den Ballontagen starten. Die Jahre zuvor war sie jeweils entweder auf einem anderen Kontinent am Arbeiten, oder die Veranstaltung fand wegen Corona nicht statt. Lea: «Ich freue mich wie ein kleines Kind darauf.»

Text und Bilder: Max Hugelshofer

Erschienen im September 2023

Die Ballontage Toggenburg

Während der Ballontage ist Ebnat-Kappel jeweils ganz im Ballon-Fieber. Alle Schaufenster sind mit Ballonen dekoriert, in der Bäckerei kann man Schoggi-Ballone kaufen, alle Vereine helfen mit.
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