Der blauen Steine wegen von Guttannen nach Nuristan

Als Strahler und Fachmann für Edelsteine ist Joseph Häfliger fasziniert von Edel- und Halbedelsteinen. Um sie zu kaufen, reiste er von Guttannen bis weit in den Osten von Afghanistan. Dort fanden er und seine Frau Johanna nicht nur den wertvollen Lapislazuli, sondern auch treue Freunde – und eine Lebensaufgabe.

Intensives Blau strahlt einem auf dem gemütlichen Holztisch in der länglichen Stube des alten Berner Oberländer Hauses in Guttannen entgegen. Es ist eine Lapislazuliplatte, auf der ein Bergkristall und weitere Halbedelsteine liegen. Der Bergkristall stammt aus einer Kluft im Haslital. Der Fundort des Lapislazuli liegt 7000 Kilometer entfernt im Osten Afghanistans. Er ist nicht zufällig hier. Joseph Häfliger hat ihn dort gekauft, wie viele andere Steine auch. Als Gemmologe, also Fachmann für Edelsteine, erwarb er die Steine vor allem in Zentralasien, um sie an Märkten in der Schweiz wieder zu verkaufen oder sie in seiner Werkstatt zu Kunstobjekten zu verarbeiten. Er schliff bis vor wenigen Jahren Reliquien, Behälter oder Tierskulpturen, die vor allem im arabischen Raum sehr beliebt waren. «Auf Bestellung machte ich auch Falken oder Adler aus Lapislazuli, Kristall und Gold», sagt der Guttanner. Einer seiner Adler hat sogar Lebensgrösse, eine Flügelspannweite von über zwei Metern und einen Wert im sechsstelligen Bereich.

Einzigartiges Blau führte zu grossen Freundschaften

«Besonders der Lapislazuli hat mich immer schon sehr fasziniert. Die wichtigsten Fundstätten liegen im Nordosten von Afghanistan, in Nuristan. Darum reisten wir das erste Mal 1993 nach Zentralasien.», erzählt Joseph. Zunächst kamen die afghanischen Händler über die Grenze nach Pakistan, um den Häfligers Steine zu verkaufen. Daraus entstanden erste Freundschaften. 1997 gelangte das Ehepaar über eine grüne Grenze das erste Mal direkt in den Nordosten von Afghanistan, nach Nuristan. «Seither besuchten wir das Land jedes Jahr, auch diesen Frühling, unabhängig von der politischen Lage. Es gab nur zwei Ausnahmen: 2021, als die Taliban gerade wieder die Macht übernommen hatten und 2022 wegen der Corona-Pandemie», sagt der 74-Jährige. Um in die entlegenen Dörfer ihrer Freunde zu gelangen, fahren sie mehrere Tage im Auto mit Chauffeur über Passe auf über 5000 Höhenmetern. Zuweilen sind auch mehrtägige Fussmärsche nötig. Doch die Strapazen nehmen die beiden über 70-jährigen immer noch gerne auf sich.

In Schulprojekte hineingerutscht

Aus den anfänglichen Geschäftsbeziehungen entwickelten sich nach und nach starke Bindungen zu den Menschen. «Irgendwann hat meine Tätigkeit des Steinebearbeitens altersbedingt geendet. Wir haben uns mehr und mehr auf die Unterstützung der Menschen in Nuristan konzentriert», sagt Joseph, «eigentlich gingen wir am Anfang davon aus, dass es uns dann eines Tages nicht mehr brauchen wird. Aber das Gegenteil ist leider der Fall.» Damit meint er nicht nur die Unterstützung für drei Primarschulen, die 2004 startete. Inzwischen unterrichten dort etwa 20 Lehrer rund 350 Kinder. Sondern auch viele andere, kleine Projekte für die Gesundheit oder Ausbildung erwachsener Frauen. «Von Anfang an haben mich die afghanischen Stickereien fasziniert», ergänzt Johanna Häfliger. Die 79-jährige gelernte Psychiatriepflegerin und Damenschneiderin regte Handarbeitsunterricht für die Mädchen in Nuristan an, damit diese auf der Tradition aufbauend ein kleines Einkommen erwirtschaften können. Unterstützung erhält auch ein lokaler Arzt für seine Praxis-Infrastruktur und einige Studenten und Studentinnen. Wie es mit letzteren weitergeht, ist völlig offen. «Es ist nicht an uns, die Wertvorstellungen anderer Menschen zu beurteilen», betont Joseph, «doch tut es weh zu erleben, wie junge Frauen um ihre Zukunft betrogen werden.» Umso mehr wollen die Hälfligers versuchen, noch möglichst oft nach Afghanistan zu reisen. Nicht nur, um die Spenden zu überbringen. Sondern auch, um den Menschen direkt Zuversicht schenken zu können und die Freundschaften zu pflegen.

Text und Fotos: Alexandra Rozkosny

Erschienen im September 2024

Ausstellung und Puppentheater in Guttannen

Joseph und Johanna Häfliger organisieren jedes Jahr in der Schweiz eine Afghanistan-Ausstellung über ihrer Unterstützungstätigkeit. Zu sehen gibt es Fotos, persisch-afghanische Miniaturen, Teppiche und Stickereien. Dazu gibt es jeden Tag eine Puppenteater-Vorführung und das Ehepaar informiert über die gegenwärtige Lage und den Stand der Projekte. Dies kann nur noch mündlich geschehen, da die Informationen die Projekte gefährden könnten, würden sie online veröffentlicht. Dieses Jahr findet der Anlass vom 11.-13. Oktober im Hotel Bären in Guttannen statt.
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