Die beste Pizzabäckerin im Gadmertal kommt aus Mexiko

Ein Schweizer und eine Mexikanerin betreiben in Obermad, an der Sustenpassstrasse, seit über 20 Jahren einen beliebten Campingplatz. Kommt das Gespräch auf die beiden, sagen Gadmer im Scherz, dass deren Nationalitäten eigentlich vertauscht sind: Felix sei der Mexikaner und Lupita sei die Schweizerin.

Felix und Lupita Meier sind ein Paar, das ungleicher nicht sein könnte. Er: gross gewachsen, immer etwas am Werkeln und bereit, mit Gästen zu plaudern und dabei manchmal die Zeit und Arbeit vergessend. Sie: klein, ihren Garten liebend, die beste Pizzabäckerin weit und breit und den Laden immer am Laufen haltend. Die beiden betreiben seit fast 20 Jahren an der Sustenpassstrasse eine Pizzeria und einen Camping neben ihrem Wohnhaus. Es sei das östlichste, ganzjährig bewohnte Haus im Kanton Bern, sagt Felix Meier.

Kaum öffnen die beiden jeweils Mitte Mai ihre Pizzeria, kommen die Gadmer und Freunde von weit her auf einen Schmaus. Diese eher noch gemütlichen Tage werden bald von der Hochsaison abgelöst: Von Mitte Juni bis Mitte September heisst es Durcharbeiten – an sieben Tagen der Woche. In dieser Zeit verdienen Felix und Lupita den Hauptteil ihres Einkommens. «Zwischendurch muss ich die Hänge zu den imposanten Kalktürmen der Wenden hoch - durchatmen», sagt Felix, der auch Bergführer ist. Der 60-Jährige geht auch jeden Tag zum Bach hinunter und nimmt an einer tieferen Stelle ein Bad im eisigen Wasser – sogar im Winter. «Wenn du dann aus dem Wasser kommst, tut dir nichts mehr weh und du bist komplett im Hier und Jetzt.» Im Winter war Felix jahrelang meist der Einzige, der sich ins eisige Nass traute. Das hat sich schlagartig geändert: «Eisbaden scheint im Trend zu sein», schmunzelt er. «Letzten Winter standen plötzlich 30 Personen am kleinen Flussbecken - es waren Hotelgäste von der Gadmerlodge», erzählt er.

Genau: Die Kälte. Ende September geht die Saison zu Ende. Dann heisst es, alles winterfest machen. Mitte November verschwindet die Sonne für drei Monate hinter dem hohen Bergrücken. «Und dann kommt die schönste Zeit», sagt Lupita begeistert, «ich liebe es, wenn es richtig kalt ist und der Schnee unter den Schuhen knirscht». Die gebürtige Mexikanerin lebt seit 2006 mit Felix und den beiden inzwischen 14- und 16-jährigen Töchtern in Obermad. Lupita stammt aus einer Region, in der der es nie wirklich kalt wird. Dennoch fühlt sie sich genau hier unter dem Sustenpass am wohlsten.

Kennengelernt haben sich die beiden nahe des Heimatdorfs von Lupita. Felix reiste viel durch Mexiko und kaufte Silberschmuck, den er am Rosenhofmarkt in Zürich verkaufte. Die Berge zogen ihn aber immer mehr in den Bann, er wurde Bergführer, und erwarb schliesslich den Camping in Obermad, wo er die Pizzeria beim Camping eröffnete und ein kleines Wohnhaus baute.

In Mexiko gefiel es Felix aber so gut, dass er dort ein Haus renovierte, direkt neben einem Hotel eines Freundes. Lupita hatte dort einen Job als Köchin angenommen. Eines Winters fragte Felix Lupita, ob sie ihn auf dem Camping im Sommer besuche. Sie sagte zu, kam in die Schweiz und zeigte Felix das Pizzabacken. Nach dem Sommer flog sie wieder nach Hause. Erst im zweiten Sommer funkte es. Felix flog nach Mexiko, und hielt um ihre Hand an. Seither lebt das Paar die meiste Zeit in Obermad. «Für mich ist die Schweiz eine grosse Schule. Ich habe hier so viel gelernt, zum Beispiel Brot und Kuchen backen, Konfitüre und Sirup machen oder das Gärtnern», sagt Lupita und zeigt auf die über 50 Tomatensetzlinge, die sie aus eigenen Samen gezogen hat. «Mir ist es ähnlich umgekehrt in Mexiko ergangen», ergänzt Felix. «Hier in der Schweiz ist es so, dass man zum Beispiel beim Bauen immer das richtige Werkzeug braucht. In Mexiko wird mit wenig Werkzeug auf dem Bau improvisiert. Die Mexaniker sind Weltmeister im Improvisieren. Das habe ich mir ein bisschen abgeschaut.» Eigentlich hätte Felix lieber in Mexiko gelebt. Doch als die Kinder etwas grösser wurden, war es die pragmatische Lupita, die sich für die Schweiz entschied. «Wegen dem Schulsystem und den Chancen für unsere Töchter bin ich froh in Gadmen im Berner Oberland zu sein», sagt Lupita und ergänzt: «Ich komme aus einem kleinen Dorf und liebe die Natur. Hier ist es wie im Paradies.»

Text und Fotos: Alexandra Rozkosny

Erschienen im Oktober 2024

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