Die Weltreisenden sind sesshaft geworden

Vier Jahre lang mit dem Töff rund um die Welt? Gekidnappt in Indien? Autopanne mitten im australischen Outback? Bruno Blum hat das alles schon erlebt. Teils allein, teils zusammen mit seiner Frau Yvonne. Nach Jahrzehnten des Nomadenlebens haben die beiden nun im Entlebuch ihre Heimat gefunden.

«Ich bin nie auf Reisen gegangen, um aus meinem Alltag zu flüchten», sagt Bruno Blum. «Es hat mir immer gefallen hier. Ich wollte aber unbedingt Neues erleben und kennenlernen.» Wahrscheinlich habe er deshalb so wenig Mühe gehabt, sesshaft zu werden, meint der 60-Jährige. «Im Moment habe ich wirklich kein bisschen das Reissen, wieder loszuziehen. Oder Yvonne?» Seine Frau nickt und stimmt ihm zu: «Wir haben ja genug zu tun hier.» Langweilig wird es den beiden sicher nicht. Dafür sorgen einerseits ihre beiden Kinder, die 10-jährige Olga und der 7-jährige Sergej. Andererseits der kleine Bauernhof, den sie vor knapp zehn Jahren übernehmen konnten. Eine Handvoll Kupferhalsziegen, Hasen und Schafe wollen versorgt, Kräuterfelder bewirtschaftet und ein grosser Garten gepflegt werden. Und auswärts arbeiten die beiden auch noch. Bruno als Revierförster, Yvonne als Pflegefachfrau in einer heilpädagogischen Tagesspielgruppe.

Kennengelernt haben sich die beiden auf einem Campingplatz in Südaustralien. Yvonne war gemeinsam mit einer Freundin mit dem Auto unterwegs und wollte eigentlich nach einer mühsamen Erfahrung mit einem anstrengenden Mitreisenden nur ihre Ruhe haben. «Ich habe Bruno zuerst sehr konsequent ignoriert», lacht sie. Doch er, der sich mit seinem Töff auf Weltreise befand und schon seit mehreren Jahren nicht mehr in der Schweiz gewesen war, fühlte sich vom Luzerner Dialekt der beiden Frauen an die Heimat erinnert und gab nicht so leicht auf. Schliesslich kam man trotzdem ins Plaudern, man fand sich sympathisch und ausserdem heraus, dass man nur wenige Kilometer voneinander entfernt aufgewachsen war – und ging wieder getrennter Wege. Bruno und Yvonne trafen sich erst einiges später in der Schweiz erneut, wurden Freunde. Bis sie dann ein Paar wurden, dauerte nochmals fast zehn Jahre.

Yvonne war immer viel unterwegs, führte aber im Vergleich zu Bruno ein fast schon langweiliges Leben. Bruno wusste immer, dass er mehr von der Welt sehen wollte als das heimische Entlebuch. Kaum aus der Lehre, kaufte er sich einen Töff und fuhr los. Erst in Richtung Skandinavien, dann wiederholt nach Afrika. Er durchquerte den Kontinent in mehreren Reisen von Nord nach Süd und von Ost nach West. Zwischendurch kam er immer wieder ins Entlebuch zurück, jobbte als Forstwart, Lastwagenfahrer oder auf dem Bau, bis er genügend Geld für die nächste Reise hatte.

Dann kam der Zusammenbruch der Sowjetunion, und natürlich zog es den abenteuerlustigen Bruno in Richtung Nordosten. Auch auf dem Töff. «Ich hatte ja nichts anderes», lacht er. Er sei nie ein klassischer Töff-Fan gewesen. Von der Technik habe er zuerst keine Ahnung gehabt. Aber als Reisemittel faszinierte ihn das Gefährt. «Die Kontaktaufnahme mit den Einheimischen ist viel einfacher, wenn man alleine und verdreckt mit einem alten Töff ankommt», sagt er. Besonders in Russland habe er unendlich viele spannende Leute getroffen und Freunde gefunden. Doch irgendwann zog es ihn auch dort weiter. Erst nach Asien, dann Australien, schliesslich Amerika. Mehr als vier Jahre lang. Und dann wieder von neuem.

Auf seinen Reisen erlebte Bruno derart viel, dass er irgendwann anfing, für die Lokalzeitung eine Kolumne zu schreiben. Daraus entstand ein kleines Buch, dann nach seiner ersten Weltreise ein grösseres. «Ich stellte mir eine Weile lang vor, so meine Reisen finanzieren zu können, aber das hat nie richtig geklappt», lacht er.

An die erste gemeinsame Reise als Paar haben Bruno und Yvonne unterschiedliche Erinnerungen. «Es war super», sagt Bruno mit einem Augenzwinkern. «Es hat überhaupt nicht geklappt», stellt Yvonne klar. «Er hat einfach sein Ding durchgezogen und teilweise komplett vergessen, dass ich auch noch da bin», sagt sie. Er sei durch das viele Reisen allein einfach nicht gewöhnt gewesen, auf andere Rücksicht zu nehmen, gibt er zu. Wieder zu Hause folgten ernste Gespräche, einige Klarstellungen von Erwartungen, aber auch der Wunsch, es nochmals zu probieren. «Wenn schon, denn schon», sagten sich die beiden, kauften ein Occasions-Büssli und machten sich auf den Weg: über Russland, Kasachstan und den nahen Osten nach Indien, danach Australien, Japan, China und über die Mongolei zurück. Diesmal klappte es mit der Zweisamkeit. Auch aus dieser Reise entsteht, wieder zu Hause ein Buch. Und plötzlich wird auch der schon länger gehegte Traum vom eigenen kleinen Bauernbetrieb Realität, als Bruno und Yvonne das heruntergekommene Schwesterehüsli unterhalb von Heiligkreuz kaufen können und ihm dann mit viel Eigenleistung zu neuem Glanz verhelfen.

Heute bieten Blums auf ihrem Grundstück ein paar Stellplätze für Camper an. Auch als Präventivmassnahme gegen plötzlich zurückkehrendes Fernweg. Yvonne: «Mit unseren Gästen holen wir die Welt ein bisschen zu uns nach Hause.» Meist beschränke sich der Kontakt auf oberflächliche Freundlichkeiten. Hin und wieder gerate man aber auch ins Diskutieren und Fachsimpeln. Dann können Bruno und Yvonne mit unzähligen guten Geschichten auftrumpfen. Etwa mit derjenigen, in der Bruno von einem halben indischen Dorf quasi aus seinem Zelt gekidnappt und festgehalten wurde, weil das Gerücht aufgekommen war, der Fremde sei ein Terrorist, der den nahen Staudamm sprengen wolle. Oder Yvonne erzählt von ihrer Angst, die sie verspürt hatte, als die beiden in Kasachstan mitten in der Nacht von Polizisten aus dem Schlaf getrommelt wurden und die Beamten mit Bruno vom Auto weg in die tiefste Nacht verschwunden waren – wie sich später herausstellte nur, um ihm ihr Auto zu zeigen, das in ein Tobel gerollt war und für dessen Bergung sie im allradgetriebenen Camper der beiden Reisenden ein geeignetes Abschleppfahrzeug sahen. Jetzt, im Nachhinein, sei es unterhaltsam, solche Geschichten zu erzählen, sagt Bruno. Irgendwann sei aber auch mal genug. «Im Moment möchte ich wirklich keine neuen erleben.»

Text und Bilder: Max Hugelshofer

Erschienen im September 2025

Berghilfe unterwegs in Gadmen
Berghilfe unterwegs