Die Könige der Zukunft

Einmal im Jahr verwandelt sich das Berggasthaus Oberdorf in Wildhaus im Toggenburg in eine Trainingsanlage für rund 80 Jungschwinger aus der ganzen Schweiz. Bereits zum elften Mal findet im «Oberdorf» das einwöchige Königscamp statt. Dort messen sich die 10- bis 15-jährigen Nachwuchstalente aus dem Schwingsport nicht nur gegeneinander, sie bekommen auch wertvolle Tipps von den Profis.

Das Wetter an diesem Donnerstagmorgen im August ist eher herbstlich kühl als sommerlich warm. Zum Schwingen die idealen Voraussetzungen. Der Sägemehlring vor dem Berggasthaus Oberdorf auf 1230 Meter über Meer ist frisch gerecht. Langsam strömen die Jungschwinger aus ihren Garderoben heraus und versammeln sich am Rande des Schwingplatzes. «Die Jungs sind heute etwas müde», sagt Roger Fuchs, Initiant und Organisator des Königscamps. «Sie hatten gestern Abend bis 21.30 Uhr ihr traditionelles Lager-Schwingfest, welches die älteren Jahrgänge jeweils selbst organisieren. Darum dauerte es ausnahmsweise etwas länger, bis alle im Bett waren». Mit ein paar Minuten Verspätung geht es dann los mit der ersten Trainingseinheit des Tages. Geleitet wird das Training an diesem Donnerstag von den beiden Profis Tobias Widmer und Oliver Herrmann vom Nordwestschweizer Schwingerverband. Eine Besonderheit des Königscamps: «Wir haben jedes Jahr die Roger Federers des Schwingsports bei uns im Camp. Wir wollen, dass die jungen Schwinger von den Besten lernen können.»

80 Jungschwinger aus der ganzen Schweiz

Bereits zum elften Mal pilgern Jungschwinger im Alter von 10 bis 15 Jahren aus der ganzen Schweiz für fünf Tage nach Wildhaus ins Königscamp. Damals ins Leben gerufen hatte das Camp der im Toggenburg aufgewachsene und mittlerweile in Zürich wohnhafte Roger Fuchs. Er organisiert das Lager bis heute. «Mit Schwingen hatte ich damals eigentlich nichts am Hut. Ich war Fussballer und stand selbst noch nie im Sägemehl mit Schwingerhose», sagt Roger. Er kam damals beruflich in Kontakt mit dem Schwingsport und erkannte das Potential für ein verbandübergreifendes Trainingscamp: «Ich realisierte, dass es im Schwingsport kein nationales Ferienlager in dieser Alterskategorie gibt. In anderen Sportarten ist das ja schon längst der Fall. Da sah ich Handlungsbedarf». So organisierte der Toggenburger 2012 zum ersten Mal ein Königscamp. Als Austragungsort eignete sich das Berggasthaus Oberdorf in Wildhaus perfekt: «Wir haben hier eine tolle Infrastruktur mitten in einer ländlichen Umgebung, das passt perfekt zur Tradition des Schwingsports», sagt Roger. Rund 80 Jungschwinger aus allen fünf Teilverbänden des Eidgenössischen Schwingerverbandes können jedes Jahr am Königscamp teilnehmen. «Das finde ich das Schönste an diesem Camp, dass die jungen Schwinger über die Verbände hinaus Kameradschaften schliessen und gegenseitig voneinander profitieren können». Die Nachfrage für eine Teilnahme am Königscamp steigt von Jahr zu Jahr. Die Idee, dass die Nachwuchstalente von den Besten des Schwingsports lernen können, sei ein grosser Erfolg. «Für das Engagement der Gasttrainer bin ich enorm dankbar. Sie opfern meist einen Ferientag oder nehmen eine lange Reise auf sich, um hier ein Training geben zu können. Das ist nicht selbstverständlich», sagt Roger.

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Tipps, Ticks und Autogramme

Im Training an diesem Donnerstagmorgen gehts langsam richtig zur Sache. Nach den Aufwärmübungen montieren die Jungschwinger nun ihre Schwingerhosen und stellen sich im Halbkreis auf. Die beiden Gasttrainer Tobias Widmer und Oliver Herrmann demonstrieren einen ihrer Schwünge, welche die Jungschwinger anschliessend motiviert und bemüht gegeneinander ausprobieren – immer unter genauer Beobachtung der Profis. Es folgen weitere wertvolle Tipps und Tricks der Gasttrainier, bis nach zwei Stunden die erste Trainingseinheit des Tages zu Ende ist. «Bleibt fleissig und beharrlich. Alles, was ihr investiert, investiert ihr in eure eigene Zukunft», gibt Profi Oliver Herrmann den Jungschwingern mit auf den Weg. Die beiden Gasttrainer nehmen sich gerne Zeit für einen Trainingstag im Königscamp. «Es ist wichtig, dass die jungen Nachwuchstalente eine solche Möglichkeit haben und von ihren Idolen lernen können. Das ist enorm wertvoll für die Zukunft des Schwingsport», sagt Tobias Widmer. Für die beiden Spitzenschwingern geht es vor dem Mittagessen jetzt noch zur Autogrammstunde. Denn die Nachwuchstalente wollen nicht nur Tipps und Tricks von ihren Idolen, sondern auch ein Autogramm.

Das Königscamp

Das Königscamp findet jeweils in der ersten Augustwoche statt und bietet Platz für ca. 80 Jungschwinger aus der ganzen Schweiz.
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Text und Bilder: Lukas Ziegler

Erschienen im September 2023