«Ich habe schon als Kind gewusst, dass ich Bergführer werden will. In der Pubertät habe ich etwas den Faden verloren und bin das ganze Jahr nur Freestyle-Ski gefahren, möglichst wilde Sprünge. In der Lehre merkte ich aber, dass ich mich die Woche hindurch von den Verletzungen, die ich mir am Wochenende zugezogen hatte, nicht mehr erholen konnte Da dachte ich: Freeriden und zugleich Arbeiten, das wäre doch auch super. Und da kam mir wieder in den Sinn: Als Bergführer kannst du ja Freeride-Touren führen. Und so habe ich wieder angefangen zu klettern und 2015 die Ausbildung zum Bergführer abgeschlossen. Im Goms gehen nur wenige Leute richtig z’Bärg, und klettern tun noch weniger. Ich bin schon ein bisschen ein Exot, aber Bergführer ist in der Bevölkerung trotzdem ein angesehener Beruf. So kam es wohl, dass ich 2017 zum Chef Naturgefahren ernannt wurde. Da bin ich vor allem im Winter mit den Lawinen gefordert.
Gelernt habe ich Zimmermann. Lustigerweise machen viele Bergführer diese Lehre. Vielleicht, weil wir immer zuoberst sein wollen. Und auf dem Dachfirst ist es so ein bisschen wie auf einem Gipfel – links und rechts gehts hinunter.
Im Sommer führe ich viel Gipfeltouren – praktisch immer mit nur einem Gast. Dabei ist bei aller Erfahrung auch das Bauchgefühl enorm wichtig. Die meisten Bergführer bekommen im Verlauf ihrer Karriere einen Schuss vor den Bug, wie man so sagt. Wichtig ist einfach, aus solchen Beinahe-Unfällen die richtigen Lehren zu ziehen. Bis jetzt bin ich aber immer umgekehrt, bevor etwas passierte.
Meine Lieblingshochtour ist eindeutig der Weisshorn Nordgrat. Von klein auf schaue ich das Weisshorn an, es schliesst das Goms gegen Süden ab. Zum Klettern bin ich am liebsten am Salbitschijen.
Für Skitourengänger war das Goms vor zehn Jahren noch so ein bisschen ein Geheimtipp, besonders bevor der Lötschberg-Basistunnel aufging. Dann änderte das langsam. Letzten Winter wars extrem, ab halb neun mit der ersten öV-Verbindung aus Brig, die Anschluss an Bern hat, kamen komplett überfüllte Züge ins Goms. Jemand zählte einmal 50 Leute, die in Geschinen ausstiegen, um aufs Brudelhore zu steigen.
Gab es frischen Schneefall, war eine Woche später jede Waldschneise, die sich nur irgendwie fahren lässt, gefahren. Das gab in der Bevölkerung schon Diskussionen, wegen dem Naturschutz und den Gefahren. Ich hoffe, der Boom nimmt wieder ein bisschen ab. Die Balance mit dem Tourismus zu finden ist schwierig.

Was mir auch auffällt: Die Zahl der richtigen Alpinisten ist rückläufig. Viele Leute wollen heute einfach ihren 4000er, und das wars. In eine abgelegene Berghütte hochsteigen, und dann Touren auf namenlose Gipfel machen, dafür findest du fast keine Gäste. Viele Leute nehmen sich auch nicht mehr die Zeit, den Berg zu spüren, für ein Erfolgserlebnis zu arbeiten. Sondern sie wollen einfach bei möglichst optimalen Verhältnissen rauf und fertig. Und beim Freeriden ist zum Teil eine starke Ellbogenmentalität aufgekommen. Da geht man nicht mehr zusammen auf den Berg und freut sich zusammen. Sondern es gilt: Ich zuerst. Es kann sein, dass ich mit Gästen extra traversiere, um einen frischen Hang zu finden. Und dann kommen zwei, drei Freerider – wir sind noch am Schwatzen – und die zerfahren den Hang einfach. Statt dass man miteinander redet.
Trotzdem finde ich meinen Beruf mega cool. Und das Goms wunderbar. Im Winter hast du eine Riesenauswahl an Tourenzielen. Und im Sommer bist du von hier schnell auf dem Nufenen, dem Grimsel oder der Furka. Drei Topgebiete zum Klettern.»