Heutzutage kann man als Pfarrer nicht mehr nur in der Kirche hocken
und warten, bis die Leute einen aufsuchen und um Rat bitten. Die Zeiten
haben sich geändert, die Menschen sind mobiler, vernetzter und mit
anderen Herausforderungen konfrontiert als noch vor 20 Jahren. Auch die
Rolle des Pfarrers ist eine andere. Natürlich habe ich immer ein offenes
Ohr für die Fragen und Sorgen der Menschen, doch klassische
Seelsorge-Gespräche führe ich nur wenige. Stattdessen versuche ich,
Themen, die die Menschen bewegen, zusammen mit Gedanken und Erfahrungen,
die ich während der Woche sammle in meine sonntäglichen Predigten
einzubauen. Und so der Gemeinde etwas zurückzugeben.
Wie viele Kirchgemeinden haben auch wir mit schwindenden
Mitgliederzahlen zu kämpfen. Deshalb bin ich daran, verschiedene Formate
zu entwickeln. Wie etwa Gottesdienste mit Gospel-Bands oder Chören,
oder offene Glaubensabende, an denen alle grossen und kleineren Fragen
diskutiert werden dürfen. Es gibt viele Menschen, die kritisch zur
Institution Kirche eingestellt sind, auch sie möchte ich abholen. Ich
möchte einen Rahmen schaffen, in dem jede Sichtweise Platz hat und
niemand verurteilt wird. Wie in einer Familie darf man auch in der
Kirche mal anderer Meinung sein.
Auch wenn der Begriff ‹Zuhause› für mich eher an eine innere
Zufriedenheit als an einen Ort geknüpft ist, habe ich meine Wurzeln
nicht vergessen. Nigerias Zukunft liegt mir sehr am Herzen. Seit
mehreren Jahren stecke ich all mein Erspartes in verschiedene
Bildungsprojekte. Mein Traum ist es, eine Schule zu errichten, die von
Schülerinnen und Schülern aus allen Gesellschaftsschichten besucht wird.
Dabei sollen die Plätze für Kinder minderbemittelter Familien von den
wohlhabenderen Familien subventioniert werden. So könnte ich einen Teil
des Glücks, das ich in meinem Leben erfuhr, weitergeben.»
Text und Bild: Sarah Eicher
Erschienen im
September 2021