Das Moesano macht mobil
Ein Marktfahrzeug bringt die Spezialitäten des Moesano unter die Leute.
Ein Marktfahrzeug bringt die Spezialitäten des Moesano unter die Leute.
Das Moesano besteht aus dem Misox und dem Calancatal. Dort haben sich Bauern und Produzenten zu einer Kooperative zusammengeschlossen. Dorothea Rigonalli zieht regelmässig mit dem neuen Marktfahrzeug los, um die Spezialitäten ihrer Region unter die Leute zu bringen.
«Man sagt uns hier Steinbock-Tschinggen, weil wir zwar noch zum Kanton Graubünden gehören, der Tessiner Einfluss aber stark ist. Moesano nennt man unsere Heimat, die aus dem Calancatal und dem Misox besteht. Die Orientierung in Richtung Tessin zeigt sich nicht nur daran, dass wir Italienisch sprechen, sondern auch bei den regionalen Produkten. Eine Spezialität aus dem Moesano ist beispielsweise der Grappa Nostrana. Oder die Torta di Castagna – die Kastanientorte. Denn bei uns wachsen, wie im Tessin auch, viele Kastanienbäume. Und weil hier traditionellerweise vor allem Ziegen und Schafe gehalten werden, sind «Gitzi», Lammfleisch und vor allem Ziegenkäse sehr beliebt.
Unsere Region hat eine grosse Vielfalt lokaler Spezialitäten zu bieten. Aber nur wenige Produzenten und Landwirte nutzen dieses Potenzial und vermarkten ihre Produkte gezielt. Das wollen wir mit unserer Genossenschaft «Società cooperativa per la promozione e lo smercio di prodotti regionali del Moesano» ändern. Mit einem gemeinsamen Auftritt und der Teilnahme an Märkten im Tessin, in Graubünden und der restlichen Deutschschweiz schaffen wir eine Plattform für die Bauern und Produzenten der Region. Nur so können wir unsere einheimischen Produkte unter die Leute bringen und unsere Talschaften bekannt machen.
Die Genossenschaft besteht aktuell aus fünf Bauern, vier Metzgern, einem Bäcker, vier Imkern und einem Winzer. Ich bin in der Kooperative für Logistik und Vermarktung zuständig und übernehme oft den Verkauf auf den Märkten. Das ist ein grosser Aufwand, vor allem weil ich selber Bäuerin bin und auf dem Hof immer viel los ist. Seit über 30 Jahren führe ich mit meiner Familie einen Bio-Hof im Calancatal. Eigentlich bin ich als gebürtige Ostschweizerin ein Stadtkind. Aber ich wollte schon von klein an Bäuerin werden. Später hat es mich als Pfadi-Leiterin ins Calancatal verschlagen, wo ich meinen Mann kennenlernte, der hier einen Landwirtschaftsbetrieb hat. Wir halten Rinder und Ziegen, machen Brot, Würste und Käse. Unsere Hofprodukte vermarkte ich schon seit vielen Jahren über meine Webseite und liefere sie bis nach Zürich. Ich möchte andere Bauern in der Region ermutigen, das Gleiche zu tun und ihre Chancen besser zu nutzen. Deshalb en-gagiere ich mich auch in der Cooperativa. Es ist eine Herausforderung, eine Genossenschaft von null auf aufzubauen. Wir haben ja einzig mit den Genossenschaftsbeiträgen angefangen. Das bedeutet: Wir müssen zuerst Produkte verkaufen, um investieren zu können. Daher war es für uns ein grosses Glück, dass wir beim dringend nötigen Kauf eines Marktfahrzeugs auf die Unterstützung der Schweizer Berghilfe zählen konnten.
Wir konnten das Fahrzeug günstig gebraucht kaufen. Es verfügt über ein grosses Kühlfach, einen Gefrierschrank und über einen Gasherd mit Ofen. Anders als bei einem einfachen Marktstand haben wir damit die Möglichkeit, neben Brot, Trockenfleisch, Wein, Schnäpsen und Honig auch Frischprodukte wie Frischkäse, Joghurt und Fleisch zu verkaufen und den Marktkunden frisch zubereitete Speisen anzubieten. Zum Beispiel Lammburger oder «polpette» – Fleischbällchen aus Esel- und Schweinefleisch. Wir können mit einer grösseren Produktvielfalt präsent sein und mit Spezialitäten auffallen, die andere Marktfahrer nicht im Angebot haben.
Es ist allerdings nicht einfach, in die Märkte reinzukommen. Da gibt es zum Teil lange Wartelisten. Deshalb konzentrieren wir uns vorläufig auf die Wochenmärkte in Mendrisio und in Chur. Wir machen wieder mit bei den Passmärkten auf dem Gotthard und dem Lukmanier, beim Warenmarkt in Thusis und dem Genussmarkt St. Gallen. Neuerdings waren wir diesen Sommer mit unserem Marktfahrzeug auch am San Bernardino anzutreffen. Bei gutem Wetter immer samstags und sonntags konnten die Reisenden an der Autobahnraststätte vor dem San-Bernardino-Tunnel unsere Produkte kaufen – eine Premiere.
Der Verkauf, ob hier oben am Fuss des San-Bernardino-Passes oder auf den Märkten, kostet viel Zeit und Arbeit. An manchen Tagen sind die Verkaufszahlen noch nicht berauschend. Trotzdem müssen wir immer wieder auf die Märkte gehen und Präsenz zeigen, denn wir sind ja erst seit einem Jahr dabei. Ich bin von unseren Produkten überzeugt und glaube dran, dass wir es mit Ausdauer, Idealismus und Leidenschaft schaffen werden, uns einen Namen zu machen. Es geht mir auch darum, unsere Region etwas bekannter zu machen. Die meisten Leute haben keine Ahnung, wo das Moesano liegt. Auf Märkten in der Deutschschweiz haben mich manche Kunden auch schon gefragt, ob das zu Italien gehört. Ich muss dann immer mal wieder etwas Geografieunterricht geben.»